von Katrin Richter und
Heide Sobotka
Es ist Montag, kurz vor zwölf. Auf dem Stundenplan steht Englisch. Vor Adina und Dennis liegt Animal Farm von George Orwell. Die beiden 17 und 18 Jahre alten Schüler besuchen die elfte Klasse der Jüdischen Oberschule zu Berlin (JOS). Die Klasse ist klein, das Lernen intensiv. Ein Grund, warum sich Dennis und Adina für eine jüdische Schule entschieden haben. »Das Gemeinschaftsgefühl ist hier stärker als an einer öffentlichen Schule«, findet Dennis. Außerdem gingen viele Freunde, die er noch aus dem jüdischen Kindergarten kennt, auf die Schule.
Für Adina war es wichtig, dass sie Hebräisch belegen konnte, denn sie hat einige Jahre in Israel gelebt und wollte ihre Sprachkenntnisse in Berlin nicht verlieren. Hebräisch- und Religionsunterricht, darauf wird an der JOS, auf die auch nichtjüdische Schüler gehen, viel Wert gelegt. Oberstes Ziel ist es, dass Schüler »die jüdischen Traditionen kennen, erfahren und respektieren lernen und sich mit ihnen auseinandersetzen«.
Plakate, Schautafeln oder Schmuck zu den jüdischen Festen zeigen schon auf den ersten Blick, worum es der Düsseldorfer Yitzhak-Rabin-Grundschule geht. »Unsere Schule vermittelt Judentum durch die Gestaltung der Klassenräume«, sagt Jonathan Grünfeld, Religionslehrer an der Grundschule. Von acht bis halb vier sind die Sechs- bis Zehnjährigen hier rund um die Uhr versorgt, koscheres Essen inklusive. Schulbusse holen die Kleinen von zu Hause ab und bringen sie nach dem Unterricht wieder zurück. 2006 bestätigte das Schulbewertungssystem Vera, dass die Yitzhak-Rabin-Schule zu einer der 20 besten Schulen in Nordrhein-Westfalen zählt. Betreu ungsumfang und Qualität überzeugen die Eltern, ihre Kinder hier anzumelden.
Qualitätsunterricht und jüdisches Umfeld sind auch für die Eltern der Frankfurter Lichtigfeld-Schüler wichtig. »Bei uns fällt kein Unterricht aus. Wenn ein Lehrer krank ist, wird die Stunde von einem Kollegen übernommen«, sagt Rafael Luwisch, stellvertretender Schulleiter. Bei einem Verhältnis von etwas über 500 Schülern zu 52 Lehrern mag man an paradiesische Zustände denken. Die Nachfrage ist auch deshalb enorm hoch. Gerade in das historische Gebäude des Philanthropins umgezo- gen, müssen die unteren Jahrgänge wieder in das alte Lichtigfeld-Gebäude umziehen.
Neben dem hohen Leistungsniveau sind für die Eltern die gute Grundausbildung, die jüdische Umgebung, hebräische Sprachkenntnisse und Wissen über die Religion entscheidend. Die Kinder werden koscher verpflegt. In der Schule lernen sie möglicherweise mehr jüdische Tradition als sie von ihrem Elternhaus auf den Weg bekommen können. 30 Prozent der Kinder kommen aus Migrantenfamilien.
In der Berliner Heinz-Galinski-Schule sind es fast 80 Prozent. Das Erlebnis Kabbalat Schabbat bringen die Kinder mit nach Hause. Wenn Miron Schumelder, kommissarischer Schulleiter der Berliner Grundschule, durch die verschlängelten Gänge des Schulgebäudes geht, verweist er nicht ohne Stolz auf die vielen Zeichnungen, die die Schüler zu den Feiertagen gemalt haben. »Wir leben das Judentum hier«, sagt der Direktor, für den es selbstverständlich ist, immer eine Kippa dabei zu haben. Doch der Wunsch, eine Schule so zu gestalten, dass sie jüdische Identität in allen Bereichen, auch mit den Möglichkeiten der modernen Kommunikation, vermittelt, ist oftmals nur Vater des Gedankens. So hat Schumelder immer auch den Etat im Hinterkopf.
Ähnlich ergeht es Heinz Hibbeler von der Joseph-Carlebach-Schule am Grindelhof in Hamburg. Bei dem Schuldenberg der Gemeinde weiß er kaum, welchen Unterricht er seinen zwölf Kindern im nächsten Jahr anbieten kann. Sibylle Stoler, die 18 Kinder in der UNESCO-Schule an der Altonaerstraße betreut, vertraut auf Spender und Sponsoren.
Finanzprobleme hat Michael Goldberger aus Zürich weniger. Seine Schule wird von einem privaten Verein getragen. Mit dieser Stütze im Rücken kann er das Sprach- und Religionslehrprogramm TaL AM nahezu vorbildlich umsetzen. »Online-Betreuung der Lehrer oder ein Chat, um sich mit anderen Pädagogen auszutauschen, das alles funktioniert bei uns gut«, sagt Schuldirektor Goldberger.
TaL AM ist auch für die Morijah-Grundschule in Köln Kern des Unterrichts. Bis zu 14 Stunden erhalten die 87 Kinder Sprach- und Religionsunterricht. Hinzu kommen noch 39 Stunden in den übrigen Fächern. Nur von einer Stunde mittags unterbrochen, verbringen die Kinder den ganzen Tag im Klassenverband.
Das Pensum für die Sechs- bis Zehnjährigen ist beachtlich. Die Sinai-Grundschule in München versucht, Bewegung in die Nachmittagsstunden zu bringen. Sie bietet dann Schwimmen, Computerkurse, Theater-AGs und gemeinsame Ausflüge an. Andere Schulen verlassen gar die Stadt- und Landesgrenzen und reisen schon mit den Kleinsten nach Israel. Ein Gemeinschaftserlebnis, das weder Schüler noch Lehrer missen wollen.
Die jüdischen Schulen in Deutschland könnten ja auch gemeinsam nach Israel reisen. Bei der Schulleiterkonferenz in Berlin Ende November war dies eine Idee, die die Zusammenarbeit unter den Schulen fördern und die Verbundenheit zu Israel signalisieren könnte. Wie das 60-jährige Jubiläum des jüdischen Staates in den Schulen gefeiert wird, beschäftigte die Direktoren. Ob Städteprojekt, Geschichte der Hatikwa oder Theateraufführungen, die Lehrer hatten viele Ideen, um Gemeinsamkeit zu schaffen. Ideen, die sie auch gegenseitig inspirierten.
Der Gedankenaustausch soll auf jeden Fall weitergeführt werden und dem zweiten Treffen weitere folgen. Die nächste Konferenz ist für Mai in Frankfurt am Main geplant. Im November wird München Gastgeber sein.