von Katharina Dockhorn
Thanassis Karathanos ist Deutscher griechischer Herkunft. Vielleicht hat der Berliner Filmproduzent mit seiner Firma Twenty Twenty Vision deshalb ein Händchen für internationale Koproduktionen. Unter anderem war er an dem bei der Berlinale 2009 von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeierten Drama Irina Palm mit Marianne Faithfull in der Hauptrolle beteiligt. Auch bei den gerade laufenden Filmfestspielen von Cannes ist Karathanos wieder mit einer internationalen Koproduktion vertreten. Am Sonntag hat im renommierten Programm »Quinzaine des Réalisateurs« Ajami Premiere, gedreht von dem israelisch-palästinensischen Regisseursgespann Yaron Shani und Scandar Copti.
Ajami, das ist ein heruntergekommenes Viertel von Jaffa, dessen vor allem arabische Bewohner sich als Bürger zweiter Klasse fühlen. Seit dort im Oktober 2000 gewaltsame Unruhen tobten, sind die Barrieren zum florierenden jüdischen Tel Aviv noch unüberwindbarer geworden. In dieser Atmosphäre des Misstrauens verschwimmen die Grenzen zwischen zivilem Ungehorsam und Verbrechen. Viele junge Männer bekennen sich offen zur Intifada, andere sind schlicht kriminell. Israelis verirren sich selten in das Viertel, nur die Polizei ist ständig präsent.
In dieser Atmosphäre wächst der scheue, sanfte 13-jährige Nasri auf. Vor der täglichen Gewalt flieht er in ferne Welten und zeichnet Comics. Der Rückzug in die Fantasie findet ein jähes Ende, nachdem sein Onkel ein bedeutendes Mitglied eines Beduinenstammes verletzt hat. Dessen Familie sinnt auf Rache und kommt nach Jaffa – das Leben von Nasri und seinem von ihm bewunderten großen Bruder Omar, der schon lange ein zweites Leben auf der Straße führt, sind akut bedroht.
Die Geschichte wird verschachtelt aus fünf verschiedenen Perspektiven erzählt, in Episoden, die sich um das Schicksal jeweils einer Figur drehen. Um die unterschiedlichen jüdischen und arabischen Sichtweisen ohne Klischees einzubringen, wurde das Drama von den Regisseuren Yaron Shani und Scandar Copti gleichberechtigt inszeniert. Die jungen Schauspieler sind ausschließlich Laien. Sie stammen aus dem Viertel und sprechen ihre Muttersprachen Hebräisch und Arabisch. Die Rollen wurden nach einem neunmonatigen Workshop verteilt, in dem die Teenager das Drehbuch durchspielten. Um die Authentizität zu erhalten, wurde auf eine Synchronisation verzichtet. Es entstanden zwei Fassungen, eine mit arabischen, eine mit hebräischen Untertiteln.
Ajami ist nicht Karathanos’ erste Koproduktion mit einem israelischen Regisseur. »Israel hat eine interessante und spannende junge Filmszene«, sagt er. »Das weiß ich seit dem Festival von Locarno 2006, wo mindes-tens 15 gute Filme von dort gezeigt wurden.« 2008 war Karathanos dann bei Amos Kolleks Restless mit von der Partie. »Natürlich war mir der Name Amos Kollek bekannt. Überzeugt hatte mich sein sehr persönliches Buch für diese Vater-Sohn-Ge- schichte, die sich sehr kritisch mit Israel und der jüdischen Identität aus der Sicht von jemandem auseinandersetzt, der sein Land liebt, der aber betroffen ist und dem es wehtut, was in seiner Heimat passiert.«
Mit ihrem Projekt Ajami wollten Karathanos und sein israelischer Partner Moshe Danon eine Mischung »aus Rashomon und Pulp Fiction« auf die Leinwand bringen, erläutert der Berliner Produzent. Diese Erwartung, sagt er jetzt, sei von den jungen Regisseuren und ihren Darstellern nicht nur erfüllt, sondern übertroffen worden. Eine Million Euro hat der Film gekostet. Kommendes Jahr soll er in die deutschen Kinos kommen. Es wird, wenn es nach Karathanos geht, nicht seine letzte Zusammenarbeit mit Filmemachern aus Israel gewesen sein.