von Alexander Alon,
Joel Hoffmann und
Yves Kugelmann
Er wirkt traurig, fast ungläubig. »Juden starben in Gaskammern. Der Antisemitismus nicht«, sagt Elie Wiesel. Und in seinen Worten schwingt viel Pessimismus mit. Der 80 Jahre alte Friedensnobelpreisträger spricht an diesem Montag im schweizerischen Genf. Nicht vor der UN-Konferenz gegen Rassismus, sondern vor Journalisten. Wiesel, der Auschwitz überlebt hat, steht sichtbar noch unter dem Eindruck der Rede des iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, die dieser kurz zuvor im Großen Saal des UN-Gebäudes gehalten hat.
Der Iraner im grauen Anzug steht gelassen hinter seinem Pult, als er Israel einen »rassistischen Unterdrückerstaat« nennt, der »unter dem Vorwand jüdischen Leidens gegründet« wurde. In seinem Redemanuskript war sogar von der »zweideutigen und zweifelhaften Frage des Holocaust« die Rede. Doch auch ohne die explizite Leugnung der Schoa geht Ahmadenidschad nach Ansicht vieler Anwesender zu weit. Die französische Delegation steht sofort auf und verlässt den Raum. 40 Diplomanten aus 20 Ländern, die meisten aus der Europäischen Union, und die Vertreter Marokkos, folgen ihr. Auch jüdische Nichtregierungsorganisationen wie B‹nei B‹rith wollen nicht länger zuhören, wenn Ahmadinedschad gegen Israel hetzt und dabei offenbar ganz bewusst das Land nicht bei seinem Namen nennt. Die Protestrufe von Studenten, die die Rede des Staatschefs von Anfang an begleitet haben, sind nicht mehr zu überhören. »Rassist, Rassist!« schreien sie – als Clowns mit knallbunten Perücken verkleidet.
Denn Durban II ist für die 100 Studenten nichts weiter als ein Zirkus, in dem man sich als Witzfigur verkleiden darf, ja sogar muss. Die Veranstalter allerdings entziehen der Delegation der European Union of Jewish Students zeitweilig die Akkreditierung. »Ich las lauthals aus der UN-Deklaration der Menschenrechte vor«, ereifert sich ein israelischer Student, »ein Sicherheitsbeamter rief mir zu, dass ich die Regeln der UN missachte. Aber Ahmadinedschad wird zum Sprechen eingeladen. Das ist einfach nur lächerlich.«
Auch bei der Veranstaltung mit Elie Wiesel sorgt Ahmadenidschad für eine aufgeheizte Stimmung. Alan Dershowitz, der bekannte amerikanische Anwalt und Bürgerrechtler, vergleicht die Durban-Konferenzen sogar mit den Reichsparteitagen der NSDAP. »Vielleicht ist in Nürnberg auch mal kurz eine gute Eigenschaft der Juden erwähnt worden«, sagt er, um damit potenziellen Konferenzbefürwortern den Wind aus den Segeln nehmen. Das Antirassismusverständnis sei offenbar so, dass ein Bürgerrechtler wie Martin Luther King an der Konferenz weniger willkommen gewesen wäre als ein Demagoge wie der iranische Präsident.
Auch der Irwin Cotler, früherer kanadischer Justizminster, der als Anwalt politisch Verfolgte wie Nelson Mandela und Andrej Sacharow vertrat, macht darauf aufmerksam, dass jedes Land einem Holocaust-Leugner wie Ahmandinedschad die Einreise verweigern könne. Auch sei klar, dass die UN Irans Präsidenten nicht hätte einladen müssen.
Die offizielle Schweiz sieht das anders. Bundespräsident Hans-Rudolf Merz empfing seinen iranischen Amtskollegen am Sonntag im Genfer Hotel Intercontinental. Während iranische Journalisten in dem Hotel ein- und ausgehen durften, wurde westlichen Pressevertretern der Zutritt untersagt. Sogar Alan Dershowitz, der ebenfalls dort zu Gast war, wurde des Hauses verwiesen. Der Amerikaner wollte nur mit Fernsehjournalisten reden, doch Sicherheitsbeamte hinderten ihn daran. »Ich war dort, um den iranischen Präsidenten zu einer Debatte über den Holocaust herauszufordern, doch ich wurde entfernt.«
Als Reaktion auf das schweizerisch-iranische Präsidententreffen berief Jerusalem am Montag seinen Botschafter ab. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte sowohl den Boykott der Konferenz durch viele Länder als auch die Rede Ahmadinedschads. Doch derartige Kritik hat die 180-köpfige iranische Delegation offenbar erst richtig in Schwung gebracht. Ein Mann aus Ahmadinedschads Entourage beschimpfte am Rande der Genfer Konferenz den Schoa-Überlebenden Elie Wiese als »Zion-Nazi«.