wirtschaft

Prophet der Pleite

Nicht nur Bankbilanzen haben in der weltweiten Finanzkrise gelitten. Auch das Ansehen von Experten und ganzen Berufgruppen hat Schaden genommen. Während der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan einst wie ein ökonomischer Zauberer erschien, gilt er jetzt (ob zu Recht oder zu Unrecht) beinahe als Urheber allen Übels. Investmentbanker, die sich noch vor wenigen Jahren als »Meister des Universums« feiern ließen, sind jetzt fast so unbeliebt wie Bankräuber. Doch auch wenn die Krise aus Helden oft ganz gewöhnliche Sterbliche gemacht hat, so hat sie doch gelegentlich auch genau umgekehrt gewirkt. Leute, die vormals als Spinner galten, werden plötzlich als Gurus gehandelt. Ein Paradebeispiel dafür ist Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der Universität von New York. Roubini ist nicht nur zu einem der Gesichter der Krise geworden, sondern er gilt heute fast schon als ihr Prophet.
Roubini wurde als Sohn iranischer Juden in Istanbul geboren. Er wuchs in Teheran und Tel Aviv auf, bevor seine Familie schließlich nach Italien zog, wo die Roubinis eine Orientteppich-Handlung in Mailand betrieben.

prophet Im italienischen Chaos der 1970er-Jahre begann Roubini, sich für Politik zu interessieren und in linken Gruppen zu engagieren. Später sagte er, dass es dieser politische Hintergrund war, der sein Interesse an der Ökonomie weckte. »Ich hatte ein soziales Bewusstsein. Ich wollte die Welt zu einem besseren Ort machen«, erklärte er in einem Interview.
Roubinis Wirtschaftsstudium führte ihn über die Universitäten von Jerusalem und Mailand nach Harvard, wo er bei Star-Ökonom Jeffrey Sachs promovierte. Später unterrichtete Roubini an der Yale University und fügte seinem Lebenslauf Stationen beim Internationalen Währungsfonds, der Federal Reserve und der Weltbank hinzu. Doch es waren nicht so sehr seine akademischen Qualifikationen, die ihm Ruhm brachten, sondern seine stets äußerst pessimistischen Wirtschaftsprognosen, die er auf seiner eigenen Website veröffentlichte. Seit Jahren warnte Roubini vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Katastrophen, die er in fast jedem Land und jedem Markt witterte. Es war eine Frage der Zeit, bis eine dieser Prophezeiungen eintreten würde.
Der Ruf des Experten, der die Krise kommen sah, hält angesichts Roubinis tatsächlicher Prognosen einer genaueren Überprüfung jedoch nicht stand. Den genauen Hergang der jüngsten Finanzkrise hat er zumindest nicht prognostiziert. Tatsächlich war Roubini zwischen 2004 und 2007 durchgängig pessimistisch, obwohl es zu jener Zeit noch ein kräftiges Wirtschaftswachstum in den USA gab. Viele Jahre lang argumentierte er, dass das US-Leistungsbilanzdefizit zu einer Dollar-Krise und höheren Zinsen führen würde, was in den Vereinigten Staaten in eine Rezession münden würde. Tatsächlich wurde die Wirtschaftskrise jedoch nicht auf diese Weise ausgelöst, sondern durch Verwerfungen im amerikanischen Hypothekenmarkt.
Eine der wenigen konkreten Roubini-Vorhersagen war, dass die Vereinigten Staaten ein Null-Wachstum im 4. Quartal 2006 verzeichnen würden. Damit lag er jedoch schwer daneben, denn das tatsächliche Wachstum lag bei 3 Prozent. Nach diesem Fehlgriff nahm Roubini seine Rezessionsvorhersage kurzfristig zurück. Im Januar 2007 schrieb er dann: »Es ist nicht klar, ob das Platzen der Immobilienblase in den USA zu einer weichen Landung führt, wie es die Mehrheit der Forscher glaubt, oder ob es doch eine härtere Landung geben wird, die dann zu einem verlangsamten Wachstum oder gar einer echten Rezession führt.« So unsicher war sich Roubini also Anfang 2007, dass er vorsichtshalber seine Vorhersage in alle Richtungen absicherte.

gut geraten Die Finanzkrise war bereits in vollem Gange, als Roubini seine viel zitierten Vorhersagen über den bevorstehenden finanziellen Armageddon im Jahr 2008 machte. Aber im Grunde passte Roubini seine Geschichte nur an das an, was damals jeder in allen Wirtschaftsblättern lesen konnte.
Wenn Roubini eine Methode für seine Prognosen hat, dann ist sie nur schwer zu identifizieren oder zu bewerten. Die Trennung zwischen Meinung und Analyse geht allzu oft in seiner zu Übertreibungen neigenden Prosa verloren. Dass seine Prophezeiungen oft subjektiv sind und dabei kaum auf einer systematischen Einschätzung beruhen, bestreitet nicht einmal Roubini selbst. Nach seiner Methode gefragt, erklärte er auf einer Konferenz des Internationalen Währungsfonds im September 2006, dass er sich seine Prognosen nur aus der Nase ziehe.
Obwohl heute bereits wieder die ersten grünen Triebe in der Weltwirtschaft zu sehen sind, klingt Roubini so pessimistisch wie eh und je. Statt eines Aufschwungs sagt er nun einen neuerlichen Abschwung voraus. Jedenfalls hat ihm das wohl seine Nase gesagt.

Berlin

Klangcollage an der Humboldt-Uni erinnert an den 7. Oktober

Das Werk verwebt Stimmen, Gedichte und Gebete. An der HU sind die Studierende laut der Präsidentin im »akademischen Austausch«

von Christine Schmitt  08.11.2024

Angreifer auf israelische Botschaft vor Gericht

 07.11.2024

Berlin

Bundestag stimmt über Antisemitismus-Antrag ab

Das Parlament will Leitplanken aufstellen, um keinen Raum zu lassen für Judenhass

 07.11.2024

Berlin/Paris

Scholz und Macron stimmen sich nach US-Wahl ab

Der Wahlausgang dürfte erhebliche Folgen für Deutschland und Europa haben

 06.11.2024

USA

Trump kommt Sieg bei US-Präsidentschaftswahl näher

Die Chancen der Demokratin Kamala Harris sinken

 06.11.2024

Parteien

Warum Sachsens Ministerpräsident Kretschmer AfD-Chef Urban traf

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat stets eine klare Position gegen die AfD bezogen. Daran soll auch ein Treffen mit Jörg Urban nichts ändern

 05.11.2024

Genf

WHO plant Evakuierung von 100 Patienten aus Gaza

Insgesamt brauchen der Organisation zufolge mehr als zehntausend Menschen medizinische Hilfe im Ausland

 05.11.2024

Flüchtlingshilfswerk

Israel verbietet UNRWA Arbeit auf seinem Staatsgebiet

Israel schränkt die Arbeit des UN-Hilfswerks für die Palästinenser nach Terrorvorwürfen massiv ein

 28.10.2024

Berlin

Schimon Stein: Jüdisches Leben in Deutschland bleibt bedroht

»Der Schutz des jüdischen Lebens ist zum deutschen Mantra geworden«, so der Ex-Botschafter

 23.10.2024