Zwei Wochen lang haben sie zu-
sammen gebetet und gegessen, gelacht, Ausflüge gemacht und Freundschaften geschlossen: 90 Kinder und Jugendliche waren bei der Sommermachane der Union progressiver Juden in Deutschland im saarländischen Weiskirchen dabei, und sie alle sind begeis-
tert zurückgekehrt. Seit wenigen Tagen sind die Mädchen und Jungen aus Nord-
rhein-Westfalen, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein wieder zu Hause. »Viele von ihnen haben sich gleich für die Ferienfreizeit im nächs-
ten Jahr angemeldet«, sagt Sonja Güntner vom Vorstand der Union.
Die Sommer- und die Winterfreizeiten bilden die Schwerpunkte der Jugendarbeit, die der Dachverband der liberalen jüdischen Gemeinden in Deutschland leistet. »Für die sieben- bis 18-Jährigen ist das eine wunderschöne Zeit. Sie kommen zum Teil aus kleinen Gemeinden und haben in der Familie oder in ihrem Ort nur wenig Gelegenheit, sich mit jüdischen Gleichaltrigen auszutauschen«, erzählt Gali Reich, Ju-
gendleiterin der Union. »Insbesondere das Vermitteln von jüdischen Traditionen, jüdischer Identität gefällt den Kindern – ganz unabhängig davon, ob sie aus religiösen Familien kommen oder nicht.«
Die 32-jährige Israelin ist nach Deutsch- land gekommen, um in Bielefeld ihre Doktorarbeit zu schreiben. Zuvor hatte sie in Jugendcamps in den USA gearbeitet und ist nun seit zwei Jahren bei der Union als Jugendleiterin angestellt. Sie berichtet: »Oft sind die Mädchen oder Jungen in der Schule die einzigen jüdischen Kinder.«
18 Betreuer kümmerten sich um die Mädchen und Jungen. Die jungen Teilnehmer wählten je nach Interesse Workshops und Projekte aus den Bereichen Religion, Musik, Kunst und Theater. Unter dem Oberthema »100 Jahre Tel Aviv« sprachen sie über jüdische Traditionen, den Jahreslauf, über die Pubertät, Gleichberechtigung, über Mobbing in der Schule sowie verschiedenen Kulturen. Rabbiner Tom Kucera aus München kam ebenfalls nach Weiskirchen, um mit ihnen Schabbat zu feiern.
offen für alle »Spezifische Themen, die die liberalen Gemeinden bewegen, liegen uns natürlich besonders am Herzen, aber wir beschäftigen uns mit allem, was Jugendliche sonst noch interessiert«, er-
klärt Güntner. »Unsere Angebote richten ich zwar vor allem an Kinder aus progressiv jüdischen Familien, aber generell stehen wir auch anderen Richtungen offen«, betont das Vorstandsmitglied.
Die Wintermachanot, bei der Kinder und Jugendliche während der christlichen Weihnachtsfeiertage verreisen, wird in diesem Jahr nach Bayern führen. Gern würdedie Jugendleiterin künftig zusätzlich zu den beiden großen Reisen mehrmals im Jahr »Mini-Machanot« übers
Wochenende anbieten. Kleine Zusammenkünfte mehrmals im Jahr könnten die Jugendarbeit in den Gemeinden regional mehr stärken, meint sie.
anforderung »Die Union vereint Gemeinden, die auf ganz unterschiedlichen Stufen ihrer Etablierung stehen«, er-
klärt Sonja Güntner. Neben älteren Gemeinden wie Köln, Hannover oder München, die es bereits seit zehn oder mehr Jahren gibt, gehören erst vor Kurzem gegründete liberale Gemeinden wie Oberhausen dazu. Und ebenso unterschiedlich wie die Struktur sieht die Jugendarbeit in den einzelnen Orten aus: »Sie ist sehr stark auf die Bedürfnisse der dortigen Juden abgestimmt. So gibt es Gemeinden mit sehr vielen Zuwandererfamilien, während diese anderswo nur einen kleinen Teil ausmachen«, sagt Güntner, die auch Vorsitzende der liberalen Gemeinde in Köln, Gescher LaMassoret, ist.
Dort gibt es in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Riehl, die die liberalen Juden nutzen, vor allem Angebote für Jugendliche, Familiengottesdienste und Projekte für Jugendliche nach der Barmizwa.»Das ist sehr wichtig, denn gerade in diesem Alter verlieren viele Gemeinden ihre Jugendlichen.« Andernorts gebe es ein größeres Angebot für Kleinkinder, »in Hamburg zum Beispiel gehören sehr viele junge Familien zur Gemeinde.«
Ein Schwerpunkt der Jugendarbeit, die die Union progressiver Juden gemeindeübergreifend anbietet, ist die Ausbildung junger Betreuer. Das bei Seminaren erworbene Wissen bringen die 16- bis 20-jährigen Teilnehmer dann in ihre Heimatgemeinden ein. »Wir hoffen, in Zukunft ein Erziehungsprogramm für liberale jüdische Jugendliche in noch größerem Rahmen er-
möglichen zu können«, sagt Güntner. Finanziert wird die Arbeit der Vereinigung zum Großteil durch den Zentralrat der Juden in Deutschland.
Wie Jugendleiterin Gali Reich stellt auch Vorstandsmitglied Sonja Güntner eine große Nachfrage nach religiöser Erziehung fest. »Den Eltern ist es wichtig, ihre Kinder in einem jüdischen Umfeld aufwachsen zu lassen. Auf diese Weise wird ihnen ein eigenes Rüstzeug für ein religiöses Leben mitgegeben.« Foto: Sivan Gaides