von Wladimir Struminski
Um das jüdisch-arabische Verhältnis in Israel ist es schlecht bestellt. Man weiß es, und staunt doch immer wieder aufs Neue. Zum Beispiel über eine vor Kurzem veröffentlichte Umfrage, laut der sich die meisten israelischen Araber vor allem als Palästinenser und Araber betrachten, während nur eine Minderheit sich primär als Israelis sieht. Da ist es kein Wunder, dass sich arabische Israelis in vielen Konfliktfällen nicht mit ihrem Staat identifizieren. Nach eigenem Bekunden stand während des Libanonkrieges ein nicht unerheblicher Teil der Araber zur Hisbollah. Auch in der aktuellen Auseinandersetzung um den Tempelberg in Jerusalem sehen sich viele arabische Israelis auf der arabisch-muslimischen Seite der Barrikade.
Umgekehrt halten zahlreiche Juden nicht viel von ihren arabischen Mitbürgern. Stereotype Bilder von Arabern, denen es an Intelligenz oder Sauberkeit mangele, sind weit verbreitet. Antiarabische Stimmungsmache wird von der jüdischen Öffentlichkeit nicht unbedingt mit Acht und Bann geahndet. Selbst als der Vorsitzende der rechten »Israel-Beitenu«-Partei und stellvertretende Ministerpräsident Awigdor Lieberman eine »Trennung« der Araber von der jüdischen Mehrheit forderte, fielen die Reaktionen denkbar mild aus. Liebermans Ansichten, ließ Ministerpräsident Ehud Olmert wissen, entsprächen nicht seinen eigenen Auffassungen. Verurteilungen sehen anders aus.
Es ist verlockend, die Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen als unvermeidlich abzutun. Doch die Konfrontation ist kein Schicksal. Zugegeben: Die vom israelisch-palästinensischen Konflikt ist keine leichte Ausgangslage. Das Aufeinanderprallen von zwei unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen macht gegenseitiges Verständnis noch schwerer. Dennoch müssen beide Gruppen versuchen, miteinander auszukommen. Sonst wird aus den Spannungen eine Krise, die den Zusammenhalt des Staates Israel in seiner jetzigen Form gefährdet. Davon hätten weder Juden noch Araber etwas.
Bei der Suche nach einem Brückenschlag ist in erster Linie die israelische Regierung gefordert. Die Aufgabe lautet: die systemimmanente Benachteiligung der Araber zu beenden. Die beginnt bereits im Kindesalter. An arabischen Schulen herrscht ein Bildungsnotstand, der die Probleme des jüdischen Erziehungswesens in den Schatten stellt. Damit steht die soziale Chancengleichheit auch im Erwachsenenalter (gerade wenn es um Arbeit geht) nur auf dem Papier. Bei Einstellungsverfahren im öffentlichen Dienst werden Araber übergangen. Wird ein Araber Generaldirektor eines Ministeriums oder Dekan einer Fakultät an einer Universität, vermelden es die Medien als ein besonderes Ereignis, statistisch betrachtet zu Recht – und gerade deshalb beschämend. Staatliche Förderpläne für strukturschwache Regionen sparen arabische Wohnorte aus. Das Verhältnis der Behörden zu arabischen Bürgern ist oft von Misstrauen und Überheblichkeit geprägt.
Allerdings gibt es auf arabischer Seite Meinungsmacher, die aus der objektiven Not ihr politisches Kapital schlagen und gegen den Staat Israel Front machen. Zu den schlimmsten Scharfmachern gehören einige arabische Knessetabgeordnete, die Israel nahezu unverhüllt ablehnen und sich offen mit seinen Feinden identifizieren. Auch auf lokaler Ebene führen manche arabische Aktivisten einen politischen Kleinkrieg gegen alles Israelische. Nicht nur werden junge Araber, die sich freiwillig zur Armee melden, oft mit einem gesellschaftlichen Bann belegt. Viele arabische Lokalgrößen widersetzen sich sogar freiwilligem Zivildienst junger Menschen bei sozialen und medizinischen Einrichtungen. Selbst das erscheint ihnen schon als eine Form der Kollaboration.
Der Ausbruch aus dem Teufelskreis wäre banal und revolutionär: gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle Bürger. So sollte es nicht nur mehr arabische Doktoranden und Diplomaten, Betriebslenker und Beamte, Rechtsanwälte und Richter, sondern zum Beispiel auch eine umfassende Dienstpflicht für Araber (und Juden) geben. Das bedeutet nicht unbedingt Wehrdienst für arabische Rekruten, der die jungen Menschen und die Armee vor große Probleme stellen würde. Allerdings spricht nichts dagegen, dass ein Araber bei der Verkehrspolizei oder dem Gesundheitsdienst arbeitet. Das würde womöglich nicht nur das Verhältnis der Staatsinstitutionen und der jüdischen Mehrheit zur arabischen Bevölkerung ändern, sondern auch die Bindung der arabischen Bevölkerung an den Staat Israel stärken. Nach Jahrzehnten der Entfremdung jedoch kommt es auf eines an: Jüdische und arabische Politik muss echte Gleichheit vorleben.