von Helmut Kuhn
»Israel ist grün im Winter und gelb im Sommer. Berlin ist grün im Sommer und weiß im Winter«, sagt Ofri Brin. So ist es. Aber was macht dann diese Stadt für junge Israelis so attraktiv? Es ist ein kleiner, aber feiner israelischer Kreis, der in Berlin entstanden ist. Künstler, Studenten, Globetrotter. »Viele Israelis kommen nach Berlin, um hier ihre Kunst zu studieren. Berlin ist in Israel gerade so angesagt, daß ständig in den Zeitungen steht, was hier so los ist.«
Ofri Brin, 24, ist Sängerin. Zusammen mit ihrem Freund und Musikpartner Oded Kaydar, 25, der sich als Musiker Oded K. Dar schreibt, und einem guten Dutzend Berliner Musiker gründete sie die Band Ofrin. »Rust & Velvet« (Rost und Samt) heißt das erste Album, das sie in Berlin aufgenommen haben. Es ist eine Mischung aus Jazz, Soul und Pop-Jazz, die von einer Stimme getragen wird, zu der eher die Worte Samt und Seide passen würden.
Diese Stimme ist am Mittag im Restaurant Pasternak in Prenzlauer Berg noch ein wenig belegt, was das Samtige noch unterstreicht. Sie spricht langsam und weich, und manchmal summt sie die französischen Chansons mit, die im Hintergrund spielen. Dann funkeln Ofris grün-blaue Augen unter dem mächtigen roten Feuerschopf, was wohl heißt: Musik liegt ihr im Blut.
Ofri Brin lebt seit einem Jahr in Berlin. Allein zehn israelische Freunde haben Ofri und Oded schon in der Stadt, die Hälfte davon sind Musiker. Viele Künstler seien nach Berlin gezogen, das liege auch an den Mieten, sagt Ofri, die im Gegensatz zu London oder New York erschwinglich seien. Sie weiß, wovon sie spricht.
Ofri Brin ist auf den Golanhöhen aufgewachsen. Mit 14 begann sie zu singen, drei Jahre später ging sie nach New York. Sechs Monate lebte sie in Queens und sang in den Jazz-Clubs von Greenwich Village. Dann mußte sie zur Armee. Als Sergeant sang sie in einer Band, die zur Truppenbetreuung im Norden des Landes eingesetzt war. Und dort hat sie Oded kennengelernt, der ihr jetzt im Pasternak gegenübersitzt und ihre »zweite Hälfte« ist.
Eine Zeitlang trennten sich ihre Wege. Oded ging nach Berlin, Ofri nach England. »Brighton ist gerade eine Zugstunde von London entfernt. Dort leben viele junge Menschen, und ich dachte, es ist leichter vorwärts zu kommen als in London.« Eine Weile war sie danach wieder in Israel, reiste später nach Nepal. »Dann entschied ich mich, nach Berlin zu gehen und mit dem perfekten Partner Musik zu machen.« So ist es nicht nur eine fruchtbare musikalische Alliance geworden, sondern auch eine israelische Liebesgeschichte in Berlin.
Ihre Eltern besucht sie noch manchmal in Ma’ale Gamla auf dem Golan, zweimal waren sie schon hier. Ofri und Oded wohnen jetzt in einer kleinen Wohnung am Prenzlauer Berg. »Wir haben noch einen Badeofen, den man anheizen muß. Das ist sehr romantisch. Man muß nur einen Tischler kennen, bei dem man sich das Holz besorgen kann«, sagt Ofri. Hat sie niemals Heimweh nach Israel? Und was fasziniert sie an Berlin?
»Es ist die Anonymität der Stadt. Israel ist so klein. Jeder kennt jeden in der Stadt, hier fühle ich mich privater, und ich fühle mich der europäischen Mentalität sehr nahe«, sagt Ofri. In Berlin scheinen sie beide nun auf ihre Wurzeln zu treffen. Odeds Mutter ist Deutsche. »Mein Großvater kam aus Berlin nach Palästina. Er war Pianist und spielte zu Stummfilmen. Als ich hierher kam war ich sehr erstaunt: Meine erste Bude lag nur zwei Straßen von seiner letzten Wohnung entfernt.« Ofris Großeltern stammen aus Tunis, Polen und Deutschland. »Ich bin auch deshalb hier. Vielleicht ist da etwas in meinem Blut, das mir gesagt hat: Hey, komm zurück!«
Es läuft gut für die beiden. Sie haben Auftritte auf Berlins wichtigsten Jazzbühnen, im A-Trane, der Junction Bar, im Zapata. Ihre CD vertreiben sie übers Internet und auf den Shows. »Berlin gibt einem die Freiheit des Schaffens. Und die Deutschen sind ein gutes Publikum, die gehen richtig mit«, sagt Ofri. Oded unterrichtet zudem noch Gitarre, Keyboard und Klavier. Und manchmal spielen sie auch bei privaten Anlässen. »Okay. Man könnte uns buchen zu Barmizwas und Hochzeiten. Aber nur zu coolen Hochzeiten«, lacht Ofri. Dabei blitzt der winzige Stein in ihrem Nasenflügel.
Vielleicht bleibt Berlin nur eine musikalische Durchgangsstation für Ofri und Oded. »First we take Manhattan, then we take Berlin«, zitiert sie wieder einen Titel von Leonard Cohen. »Wir gehen dorthin, wohin uns die Musik trägt«, sagt Ofri. Aber Oded ist da etwas genauer: »Ich würde gern in Berlin eine Basis, zum Beispiel ein Appartement, behalten«.
Ofri Brin live: Samstag, 11. März, 22 Uhr,
im Café Zapata, Oranienburger Straße 54