von Stefanie Hanus
Man kann über alles reden – oder doch nicht? Anfang Mai forderte der neue Präsident des Internationalen Dachau-Komitees (CID), Pieter Dietz de Loos, KZ-Gedenkstätten sollten Eintrittsgelder erheben dürfen. Seit 1999 ist der Unterhalt von Gedenkstätten vorrangig Aufgabe der Kommunen und der Länder; der Bund beteiligt sich mit der Förderung einzelner Projekte.
Tatsächlich lässt die finanzielle Situation der meisten Gedenkstätten zu wünschen übrig. Fast einhellig wird dort jedoch der Vorschlag von de Loos abgelehnt. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, macht deutlich: »Öffentliches Gedenken muss öffentlich bleiben und darf nicht über den Geldbeutel privatisiert und damit eingeschränkt werden.« In Dachau, wo der Stein ins Rollen gebracht wurde, betont die Leiterin der Gedenkstätte, Barbara Distel: »Die Gedenkstätte ist eine öffentliche Aufgabe, für uns ist es nicht vorstellbar, hier Eintrittsgeld zu nehmen.« Es habe lange gedauert, im öffentlichen Bewusstsein eine Akzeptanz für die kulturpolitische Aufgabe der Gedenkstätte zu schaffen. Diesen Status dürfe man nicht aufs Spiel setzen.
Ein »moralisches Dilemma« sieht Markus Ohlhauser, Verwaltungsleiter der Gedenkstätte Brandenburg. »Nach unserem Selbstverständnis können wir keinen Eintritt verlangen. Aber das Geld wird knapp.« Das Problem müsse offen angesprochen werden. »Gedenkstätten im Ausland haben da weniger Berührungsängste. Unsere internationalen Besucher sind oft verwundert, dass sie keinen Eintritt, sondern nur einen geringen Betrag für eine Führung bezahlen.«
Für den Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skribelait, ist die Forderung »fast infam«. De Loos habe für seine Sache »mit den Gedenkstätten argumentiert, ohne diese gefragt zu haben«. Empörte Reaktionen gebe es auch von ehemaligen Häftlingen. »Viele sagen, sie kämpfen nicht für ein öffentliches Erinnern, um Leute dann durch Eintritt auszuschließen.« Anders als Buchenwald hat Flossenbürg negative Erfahrungen mit einem Entgelt für Führungen gemacht: »Viele Gruppen wollen dann keine Führungen mehr, was eindeutig in die falsche Richtung geht. Es ist wichtig, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, offene Fragen zu beantworten und aufzuklären.« Einen positiven Aspekt an der angestoßenen Kontroverse sieht Skribelait aber: »Im öffentlichen Bewusstsein zeigt sich die Einstellung, die letzte Debatte zum Thema Erinnerungskultur liege mit dem Berliner Holocaust-Mahnmal hinter uns, nun könne man sich anderen Themen zuwenden. Die aktuelle Diskus- sion macht deutlich, dass dem nicht so ist.«
In der Gedenkstätte Bergen-Belsen steht man Eintrittspreisen ebenfalls ablehnend gegenüber. Pressesprecherin Karin Theilen: »Wir haben einen jüdischen Friedhof, Angehörige von Opfern kommen mit ihren Familien her. Sollen wir dann sagen ›Zwei Euro, bitte‹?« Wilfried Wiedemann, Geschäftsführer der Stiftung, fügt hinzu: »Was wir brauchen, ist eine institutionelle Förderung seitens des Bundes für alle Gedenkstätten.« Ein entsprechendes Gesetz lasse aber bisher auf sich warten.