Der Name des dicken, blauweißen Plastikordners ist Programm: »Gemeinsam Erinnern – Brücken bauen«. dahinter versteckt sich ein »Handbuch für Erinnern und Gedenken in deutsch-israelischen Jugend- und Schülerbegegnungen«. Wer die Loseblattsammlung umdreht, findet dort nicht etwa die Rückseite, sondern erneut das Titelblatt – auf Hebräisch: »Liskor Jachad – Liwnot Gescharim«. Das Handbuch ist zweisprachig.
Das in dreijähriger Arbeit erstellte, vom Bayerischen Jugendring in Zusammenarbeit mit dem Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch (ConAct) und der Stadt Jerusalem herausgegebene Buch, soll bei der Lösung eines nicht neuen, aber immer noch akuten Problems helfen: Wie können israelische und deutsche Jugendliche das Holocaust-Gedenken in ihre Begegnungen einbeziehen, ohne dabei unter der Last der Geschichte zu zerbrechen?
Patentlösungen für das Problem finden sich in dem am Sonntag in Jerusalem vorgestellten Handbuch zwar nicht, dafür bietet die Sammlung Ansätze, Einsichten und Erfahrungen. Der vielleicht wichtigste Rat: Die zutiefst unterschiedlichen Gefühle, die von jungen Israelis und Deutschen in die Gedenkfeiern hineingetragen werden, müssen erkannt und angesprochen werden. Etwa die bei Israelis herrschende Trauer, das Gefühl von Einsamkeit, sogar Ärger darüber, dass »die Deutschen« bei dem Gedenken mitmachen dürfen. Oder auch die Unsicherheit, die Schuldgefühle und die Angst der Deutschen, ungewollt in die »Täterrolle« zu geraten. Wenn das berücksichtigt wird, kann das Handbuch, das von religiösen, historischen und literarischen Tex- ten bis hin zu praktischen Beispielen des Jugendaustausches in beiden Ländern reicht, sinnvoll genutzt werden.
Die Gedenkfeiern, sagt die israelische Holocaust-Pädagogin Nili Keren, dürften nicht Einzelereignisse »zwischen Discobesuchen und Einkaufsbummel eingepfercht« bleiben. Vielmehr gelte es, sie als Teil eines Erziehungsprozesses in den Jugendaustausch zu integrieren. »Der Abgrund, den die Schoa zwischen Juden und Deutschen aufgerissen hat« betont Keren, »wird nicht verschwinden.« Allerdings sei es möglich und notwendig, eine Brücke zu bauen, über die Jugendliche gehen können.
Dass das Trauma nicht einfach mit der Zeit verschwindet, weiß auch Johannes Heil, Prorektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. »An der starken Erinnerungsbezogenheit des deutsch-israelischen Jugendaustausches hat auch der Übergang von der zweiten zur dritten Gene- ration nichts geändert.« Doch aus dem Abgrund kann eine Gemeinsamkeit erwachsen. »Das Erinnern ist kein Erinnern um seiner selbst willen«, mahnte Jerusalems stellvertretender Bürgermeister Jigal Amedi. Ziel des Gedenkens sei es, auch eine Wiederholung des Bösen zu verhindern. »In unseren Herzen«, sagte Amedi »darf keine Leere einkehren, wenn unsere Mitmenschen eine Katastrophe befällt.« wst
Das Handbuch für Erinnern und Gedenken ist über den Bayerischen Jugendring (www.bjr.de), dem Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch ConAct (www.conact-org.de) und dem Council of Youth Movements in Israel (www.tni.org.il) zu beziehen.