von Katharina Born
»Jetzt würde ich gerne einen ganz und gar un-arischen Faustschlag in deinem Gesicht landen«, sagt Superman zu Hitler, den er am Kragen packt. Unter dem Titel »What if Superman ended the war?« hatte das Magazin Look im Februar 1940 versucht, die amerikanische Nation davon zu überzeugen, in den Zweiten Weltkrieg zu ziehen. Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels reagierte in einer Radioansprache und beschimpfte den Comic-Helden als Juden.
Superman ein Sohn Israels? Im Titel einer Ausstellung des Pariser Jüdischen Museums jedenfalls taucht er auf: »Von Superman bis zur Katze des Rabbiners« macht anhand von mehr als 200 Originalzeichnungen, Druckvorlagen und Archivdokumenten 30 amerikanischer, europäischer und israelischer Künstler deutlich, wie sehr die Geschichte vor allem des amerikanischen Comics bis heute auch eine jüdische Geschichte ist.
Die ersten Comicstrips, die Anfang des Jahrhunderts in den Unterhaltungsseiten amerikanischer Zeitungen erschienen, zeugten vor allem vom täglichen Überlebenskampf in der brausenden Metropole New York. Auf billigem Papier flüchtig zusammengeheftet, wurden sie von einem Millionenpublikum verschlungen. Auch in der jiddischen Presse erschienen noch vor dem Ersten Weltkrieg in großer Auflage Comicstrips wie Gimpl Beynesh oder Tshali S’makhste, die mit viel Selbstironie den ersten Kontakt der ehemaligen Schtetlbewohner mit amerikanischen Werten wie Baseball und den ersten Autos zeigten. Während in den Sweatshops der Bronx und Brooklyns ihre Eltern für Hungerlöhne arbeiteten, träumten die Söhne der jüdischen Einwanderer den amerikanischen Traum von Reichtum und Erfolg. So wie Joe Shuster und Jerry Siegel, Kinder litauischer Einwanderer, die in der 30er-Jahren mit Superman den ersten Comic-Superhelden erfanden. Jüdisch waren auch die Schöpfer von Batman, Bob Kane (eigentlich Robert Kahn) und Captain America Jack Kirby (Jacob Kurtzberg). Nicht zufällig arbeiteten sie unter Pseudonym. Sie wollten, wie ihre Helden, hundertprozentige Amerikaner sein. Erst nach der Schoa kamen Superhelden mit jüdischer Biografie auf, wie Stan Lees und Jack Kirbys »The Thing« von den »Fantastic Four« der eigentlich Benjamin Jacob Grimm heißt. Der erste Mainstream-Comic-Künstler, der sein Judentum unmittelbar thematisierte, war dann Ende der siebziger Jahre Will Eisner mit »A Contract with God«, einem Comicroman – im Fachjargon »Graphic Novel« genannt – über das Leben jüdischer Einwanderer in den Slums von New Yorks Lower East Side.
Zu einer eigenen, anerkannten Kunstform wurde der Comic vor allem durch die amerikanische Undergroundszene in den 60er Jahren weiterentwickelt. Autorinnen wie Aline Kominsky-Crumb setzten sich kritisch und in neuen Formen mit der sexuellen Befreiung, dem Generationenkonflikt und ihrer Familiengeschichte auseinander. Eine der führenden Figuren des Undergroundcomics, Art Spiegelman, begann in den siebziger Jahren, die Geschichte seines Vaters, eines polnischen Schoa-Überlebenden und seiner Familie zu erzählen. Das Ergebnis war der 1992 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete grafische Roman Maus, mit dem der Comic endgültig als literarische Kunstform etabliert wurde.
»Jüdische Autoren haben den Comic vor dem Hintergrund eigener Erlebnisse und historischer Erfahrung ständig neu erfunden«, sagt Anne Hélène Hoog, die Kuratorin der Ausstellung. Aktuell setzt sich in Europa und Israel eine jüngere Generation von Comic-Autoren mit ihren Familiengeschichten und dem Judentum auseinander. So veröffentlichte die Kanadierin Bernice Eizenstein ihre auch in Deutschland gerade erschienene autobiografische Geschichte Ich war ein Kind von Holocaust Überlebenden. Und der 1971 geborene Franzose Joann Sfar lässt in einer inzwischen schon fünf Bände umfassenden Serie seine Katze des Rabbiners über Tora, Talmud und jüdischen Alltag philosophieren.
»De Superman au Chat du rabbin«. Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme Paris bis 27. Januar 2008. www.mahj.org
Vom 6. März bis 15. Juni 2008 ist die Ausstellung anschließend im Joods Historisch Museum Amsterdam zu sehen.