von
Katharina Schmidt-Hirschfelder
»Ven Shloime iz gevejn a Klajner, flegt zajn Mame rufn im a nishtiker goilem.« Shloime, das ist Salomon Schulman. Der 85-Jährige ist schnell in seinem Element, denn Jiddisch ist seine Muttersprache. Seine Stimme bebt leicht, als er die Geschichte vom Golem erzählt, dem künstlichen Riesen des Rabbi Löw aus Prag. Das mag die Aufregung sein, denn das hat es bis vor zwei Wochen noch nicht gegeben: »Dertseylungen far kinder oyf jiddisch oyfm Shvedishn Radio«.
Elle-Kari Höjeberg, Programmchefin und zuständig für Minderheitensprachen beim Schwedischen Rundfunk (SR), will mit dem Pilotprojekt den Status der fünf Minoritätssprachen aufwerten. Neben Jiddisch umfasst das Programm Der magische Schrein an fünf aufeinanderfolgenden Sendeterminen Geschichten für Kin- der auf Finnisch, Samisch, Tornedalfinnisch und Romani. »Damit kommen wir unserer Verantwortung nach. Wenn wir es zum Beispiel schaffen, unter jungen Juden ein Bewusstsein für Jiddisch zu fördern, haben wir schon viel erreicht.«
Doch hinter der politisch korrekten Geste der Generosität verbirgt sich nicht nur eine gezielte Marketingstrategie, sondern ein schierer Akt der Verzweiflung. Denn gerade unter den anvisierten Zielgruppen – Kindern und Einwanderern – verliert SR seit Jahren dramatisch an Vertrauen. Bei steigender Geburtenrate und mehr Einwanderern denn je in Schweden eine ernst zu nehmende Tendenz. Umfragen haben gezeigt, dass gerade Einwanderer und Mi- noritäten dem Schwedischen Rundfunk zunehmend den Rücken kehren. Ein Projekt wie Der magische Schrein ist deshalb bitter nötig, um die potenziellen Hörer der Zukunft zurückzugewinnen.
Da ist es ein Lichtblick, dass Rabbiner Chaim Greisman die Initiative von SR begrüßt. Auch wenn er meint, es werde »eher ein Kinderprogramm für Erwachsene«. Denn von den rund 3.000 Jiddisch-Muttersprachlern seien die meisten über 40 Jahre alt. Deshalb wollen die Macher der Sendung bei der zweiten Staffel im Herbst gern die Kinder des Chabad-Rabbiners dabeihaben. Anne Kalmering und Ludvig Josephson, die die Sendungen gemeinsam für den Schwedischen Rundfunk betreuen, rechnen fest mit seiner Zusage. »Wenn seine Kinder ins Studio kämen, gäbe das dem ganzen Projekt Auftrieb«, hofft Anne Kalmering.
Als die Journalistin und Sängerin das Angebot bekam, die insgesamt zehn Sendungen zu konzipieren, steckte sie gerade mitten in Proben für ihr neues Jiddischkonzert. »Doch dazu konnte ich einfach nicht Nein sagen.« Zuerst hatte die Künstlerin Bedenken beim Titel Magischer Schrein. »Bis ich sah, dass alle Geschichten etwas mit Magie zu tun haben.« Anne Kalmering hat viel Spaß an der Arbeit. »Jiddisch, das ist eine ganze Welt«, schwärmt sie. Sie will unbedingt alles richtig machen. »Gerade weil es ein jüdisches Thema ist. Da wiegt die Verantwortung doppelt schwer«, seufzt sie.
Damit auch jüngere Kinder einen Zugang finden, plant Kalmering für Herbst 2008 mehr Reime und Lieder ein. Im Idealfall hören dann Kinder das Programm Seite an Seite mit ihren Großeltern. Kalmering ist sich dessen bewusst, dass die eigentliche Zielgruppe des Programms eher Bolibompa vorzieht, die schwedische Sesamstraße. Deshalb setzt sie parallel auf Mul- timedia. Wer will, kann nach jeder Sendung die Texte im Internet nachlesen oder als mp3-Datei nachhören. Auf Hebräisch und Schwedisch. Auch lange nach der eigentlichen Sendung. Kalmering sieht den Tropfen auf dem heißen Stein als Chance. »Es ist ein Anfang. Mit Kindern! Kann es einen besseren geben?«
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