von Holger Baars
Der Hoteleingang ist zubetoniert. »Nazis raus« ist auf die Mauern gesprüht, denn braune Kader haben vor, sich hier einzunisten. Sie wollen das seit Monaten leerstehende »Hotel am Stadtpark« kaufen, um aus dem schmucklosen Betonklotz ein Schulungszentrum für Neonazis zu machen.
Die Stadt setzt, getrieben von Angst dagegen und hat beschlossen, den Zweckbau für weit mehr Geld, als das Hotel wert ist zu übernehmen. Drei Millionen Euro bietet sie und setzt sich mit Günter Mergel an den Verhandlungstisch. Der 64jährige Geschäftsmann ist eine finanziell gescheiterte Existenz. Er ist verschuldet, man spricht von zwei Millionen Euro. Ihm ist es egal, an wen er verkauft. Mergel setzt die Stadt unter Druck und schürt die Angst.
Im Juli hatte ein Anzeigenblatt den bevorstehenden Hotelverkauf gemeldet. Hotelier Günter Mergel nannte auch den Namen des potentiellen Käufers: Jürgen Rieger, Rechtsanwalt aus Hamburg, der das 195 Betten-Haus im Namen der Wilhelm- Tietjen-Stiftung erwerben will. Mergel behauptet, von Rieger, dessen Positionen der Verfassungsschutz als rassistisch bezeichnet, nichts gewußt zu haben. Bekannt wurde Rieger als Neonazi-Anwalt aus Hamburg-Blankenese, der zudem für die Rechts- extremen bundesweit Immobilien aufkauft: ein Schützenhaus in Thüringen, ein altes Kino im niedersächsischen Hameln oder ein ehemaliges Bundeswehrareal südlich von Bremen. Auch hier trat die von Rieger gegründete Wilhelm-Tietjen-Stiftung als Käufer auf. Dahinter verbirgt sich eine Briefkastenfirma in London. Namensgeber ist der Bremer Grundschullehrer Wilhelm Tietjen, der 1932 in die NSDAP eintrat. Durch Aktienspekulation war er zu Geld gekommen. Rieger hat ihn bis zu seinem Tod oft besucht.
Was ihm Tietjen vermacht hat, ist unbekannt, doch bot Rieger immerhin 3,4 Millionen Euro für das Hotel in Delmenhorst. »Ich will es, ich kriege das Hotel«, sagte er bei jedem Gespräch. Allerdings benötige er, so räumte er stets ein, noch zwei Wochen für die Abwicklung des Geschäfts. Eine Provokation? Oder doch feste Kaufabsicht? Ausgelöst hatte er damit eine Protestwelle quer durch alle Schichten, Parteien und Religionen. Es wurde demonstriert – und es gründete sich die Initiative »für delmenhorst«. Sie sammelte 930.000 Euro, um der Stadt zu signalisieren, das Hotel zu kaufen.
Wie wichtig die Spendenaktion war, zeigte sich Anfang des Monats, als sich die Stadt zum Kauf der Immoblie entschloß. Nach einem Gutachten ist das Hotel aber nur 1,3 Millionen Euro wert, über das Doppelte verlangt der Hotelier. Die niedersächsische Landesregierung als Kommunalaufsicht mahnte die hochverschuldete Stadt zu sparsamer Haushaltsführung – nur aufgrund der Spenden konnte sich die Stadt an den Verhandlungstisch begeben.
Dort sitzt ihnen nun der Hotelier Günter Mergel gegenüber, der in den siebziger Jahren das Hotel kaufte, aber mit dem wirtschaftlichen Niedergang von Delmenhorst immer mehr Schulden machte. Ob er mit Jürgen Rieger gemeinsame Sache und Kasse macht, ist sein Geheimnis.
Die Masche ist nicht neu, Delmenhorst kein Einzelfall. Sogar via Internet bieten Rechtsextreme diese Immobiliendeals an, und oft stehen Kommunalpolitiker vor der gleichen Frage wie jetzt die Delmenhorster: Wie glaubhaft ist das Kaufinteresse? Im niedersächsischen Bad Essen hat die Kommune ein Hotel gekauft. Im oberpfälzischen Grafenwöhr erwarb die verängstigte Stadt eine Tennishalle. Die NPD hatte verkündet, dort ein »Nationales Zentrum« zu errichten. In Dresden dreht sich das gleiche Spiel ebenfalls um eine alte Tennishalle.
In diesem dubiosen Immobilienpoker wechseln meist alte, oft verfallene Gasthöfe den Besitzer: Im sächischen Hirschstein kaufte die Gemeinde eine Schrottimmobilie und verschuldete sich weiter. Längst warnt der Verfassungsschutz, daß sich hinter den Käufen allein Scheingeschäfte verbergen würden, von dem Hausbesitzer und die NDP profitieren.
»Das ist ein Pokerspiel«, sagt auch Carsten Schwettmann, Oberbürgermeister von Delmenhorst. Für ihn ist es aber eine einseitige Partie: »Wir können nur verlieren.« Bitter für ihn. Die Stadt ist hochverschuldet, der überteuerte Hotelkauf würde ein weiteres Loch in den Stadthaushalt reißen. Dazu ist völlig unklar, was mit dem Zweckbau geschehen soll. Aber was passiert, wenn das nächste Hotel, die nächste Gaststätte in Delmenhorst leersteht und sich kein Käufer findet? Taucht dann wieder die Wilhelm-Tietjen-Stiftung mit »Direktor« Rieger auf? Was dann? Carsten Schwettmann hat da keine Antwort, wie so viele in Delmenhorst. »Es war ein politischer Preis«, sagt auch Pedro Becerra von der jüdischen Gemeinde, »aber er mußte gezahlt werden.« Was den hochverschuldeten Hotelier natürlich freut und wohl auch Jürgen Rieger. »Es macht ihm Spaß«, sagt ein NPD-Aktivist aus der Region, »die Narren tanzen zu lassen.«