von Tobias Kühn und Ingo Way
Was bringt der Bücherfrühling? Zunächst neue Titel bekannter literarischer Platzhirsche. Philip Roth lässt in seinem Roman Exit Ghost (Hanser) sein literarisches alter ego Nathan Zuckerman nach New York zurückkehren. Autobiografische Züge trägt auch Amos Oz’ Verse auf Leben und Tod (Suhrkamp). Raymond Federman hat mit Mein Körper in neun Teilen (Matthes & Seitz) amüsante Erinnerungen vorgelegt.
Buchausgaben bereits erschienener verstreuter Texte gibt es unter anderen von Edgar Hilsenrath (Erzählungen, Dittrich) und Peter Weiss (Das Pariser Manuskript Rotbuch). Zum 125. Geburtstag von Franz Kafka im Juli sind zahlreiche Monografien angekündigt, darunter Kafka in Berlin (Wagenbach) von Hans-Gerd Koch und die Biografie Kafka. Die Jahre der Erkenntnis (S. Fischer) von Reiner Stach. Ein weiteres Geburtstagskind ist Georges-Arthur Goldschmidt, der am 2. Mai 80 Jahre alt wird. Die Faust im Mund heißt sein neuer Essay im Zürcher Ammann-Verlag.
Neben großen alten Namen gibt es auch auffallend viele jüngere Autoren. Der Roman Zwillingsstern (Rowohlt Berlin) des Israelis Eran Bar-Gil bekam bereits den israelischen Bernstein-Preis. Sein Landsmann Assaf Gavron lässt in Ein schönes Attentat (Luchterhand) einen Yuppie gleich drei Terroranschläge überleben. Rina Frank schreibt in Als Gott die Großmutter holte (List) über ein Einwandererviertel in Haifa. Der Amerikaner Nathan Englander setzt sich in Das Ministerium für besondere Fälle (Luchterhand) mit der argentinischen Militärdiktatur auseinander. Michael Chabons Die Vereinigung jiddischer Polizisten (Kiepenheuer & Witsch) ist in einem fiktiven jüdischen Staat in Alaska angesiedelt. Aus Teheran stammt Gina Nahai, die in Regen am Kaspischen Meer (mare) von iranischen Juden erzählt. Auch Europäer sind mit von der Partie, darunter mit Arnon Grünberg (Tirza, Diogenes) und Heere Heeresma (Ein Junge aus Amsterdam, Ammann) zwei Niederländer. Der Berliner Autor Martin Kluger erzählt in Der Vogel, der spazieren ging (Dumont) die Familiengeschichte eines jüdisch-amerikanischen Schriftsteller. Lena Gorelik berichtet in Verliebt in Sankt Petersburg (SchirmerGraf) über eine Reise nach Russland.
Bei den Sachbüchern ist der 60. Jahrestag der Gründung Israels ein Schwerpunkt. Tom Segev hat vor über 20 Jahren ein Buch über Die ersten Israelis geschrieben, das in Amerika viel gerühmt wurde und nun bei Siedler auf Deutsch herauskommt. Wirklich neu sind Igal Avidans Israel. Ein Staat sucht sich selbst (Diederichs), Sylke Tempels Israel. Reise durch ein altes neues Land (Rowohlt) und Michael Borgstedes Leben in Israel (Herbig). Auch der Jüdische Almanach widmet sich 2008, so die Ankündigung des Jüdischen Verlags bei Suhrkamp, »der heutigen israelischen Wirklichkeit«.
Ein weiteres Spitzenthema der Saison ist das Tochter-Vater-Verhältnis aus der Sicht der Töchter. Die israelische Komponistin und Sängerin Ella Milch-Sheriff hat notiert, wie sie das dunkle Geheimnis ihres Vaters, eines Schoa-Überlebenden und berühmten Komponisten, suchte, sich ins Klavierspiel flüchtete und die Liebe zur Musik fand (Ein Lied für meinen Vater, Aufbau). Irina Liebmann hat über ihren Vater Rudolf Herrnstadt geschrieben, der in der frühen DDR die Parteipresse leitete und 1953 als »Parteifeind« aus der SED ausgeschlossen wurde (Wäre es schön? Es wäre schön, Berlin Verlag).
Zu den wichtigen Frühjahrstiteln zählt auch Walter Laqueurs Essay Gesichter des Antisemitismus (Propyläen), der im letzten Kapitel auch auf aktuelle antijüdische Verschwörungstheorien im Gefolge von 9/11 eingeht. Und Eli Barnavis Mörderische Religion wird sicherlich Kontroversen auslösen: Nicht umsonst habenVerlag und Autor dem Buch den Untertitel Eine Streitschrift gegeben.