Bier

Pils von Nikolaus

von Sabine Brandes

»Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Bier zu trinken.« Seine Überzeugung trägt er unübersehbar mit sich herum. In dicken Lettern auf’s T-Shirt gedruckt. Der freundliche Mann mit den rosigen Wangen trinkt nicht nur am liebsten gutes Bier, er macht es auch. In Sachen Gerstensaft kennt sich Nikolaus Starkmeth aus Hermannsdorf bei München bestens aus. Er ist Braumeister mit eigener Brauerei. Derzeit aber lebt er in der Kleinstadt Katzrin, mitten auf dem Golan, und bringt den Israelis bei, wie man gutes Bier braut. Koscher und nach deutschem Reinheitsgebot.
»Anachnu rozim birah – wir wollen Bier!«, lassen zwei Paare gleich wissen, als sie durch die Eingangstür treten. Es scheint sich herumgesprochen zu haben. Hier, in der Golan Brauerei, gibt es seit etwa vier Monaten Bier. Lokales Bier. Doch kein Goldstar oder Maccabi, dieses Gebräu trägt die Namen Golan, Galil und Emek. Benannt nach den drei Landstrichen im Norden des Landes. »Ein bisschen Patriotismus gehört hier dazu«, meint Starkmeth. Motti Bar, Manager des Lokals, fängt die Besucher ab. Neben den zwei überdimensionalen kupfernen Braukesseln erklärt er ihnen, wie aus Gerste, Hopfen und Malz ein alkoholisches Getränk entsteht. Bar klingt wie ein Fachmann. In Jeans und hohen Gummistiefeln erläutert er den Herstellungsprozess detailliert.
Er hat viel gelernt in den letzten Monaten. »Alles von Nikolaus«, sagt er und zeigt auf den Mann, der zwischen den Kesseln steht und eine lange Holzleiste in eine Öffnung schiebt. »Er misst gerade den Stand des Bieres.« Starkmeth wirft ein Lachen in Richtung Besucher und hebt ein imaginäres Glas: »Lechaim – Prost!« Die Zuschauer sind beeindruckt. Alles klar – nur das Wort »Weizenbier« ist ihnen gänzlich neu.
Ja, auch in Israel trinkt man jetzt Weizenbier. Es trägt den klingenden Namen »Galil« und hat fünf Prozent Alkohol. »Im Sommer schlägt das sicher richtig ein«, glaubt der Braumeister. Ressentiments gegenüber deutschem Bier hat er nicht erfahren. »Unser Bier hat überall einen guten Ruf. Auch in Israel.« Der Mann muss es wissen. Er ist ein viel gefragter Spezialist auf seinem Gebiet, der freiberuflich arbeitet. Sein Wissen hat er bereits in Polen, Korea, Japan, und sogar Sibirien weitergegeben, 20 Brauereien in der ganzen Welt hat er mit aufgebaut. »Und noch nicht einmal habe ich einen Sud vernichten müssen«, gibt er an. Stolz klingt in seiner Stimme mit. Starkmeth hat eine außergewöhnliche Erfahrung auf dem Gebiet des Bierbrauens. Das haben auch seine jetzigen Auftraggeber gemerkt. »Eigentlich sollte ich nur einen Monat bleiben und einen anderen Brauer anlernen«, erzählt er. »Aber der konnte nicht, und jetzt wollen die Israelis mich nicht mehr gehen lassen.«
Die Idee für eine Bierbrauerei hatten drei israelische Geschäftsleute, als in Katzrin ein neues Touristenzentrum entstand. In dem modernen Komplex am Rande der Stadt sollten verschiedene Attraktionen geschaffen werden. Nun kann man unten einen 3-D-Film über den Golan sehen, und im Anschluss im ersten Stock kühles Bier genießen. Nachdem der Kontakt auf der Fachmesse für Bier und Getränke in München hergestellt worden war, baute die »Johann Albrecht Group« die Anlagen auf, und Starkmeth reiste an.
Doch den eigentlichen Ausschlag habe die Quelle gegeben, weiß der Experte. Zwei Autostunden von Katzrin entspringt die Salukia in den Bergen. »Das Vulkanwasser ist extrem gut. Es enthält alles, was ein Bier braucht und nichts, was ein Bier stören würde. Im Vergleich dazu muss Münchener Wasser stark aufbereitet werden.« Die Brauerei hat, wie der Mineralwasserhersteller Eden nebenan, eine eigene Leitung von der Quelle. Für die Kö-
nigsklasse, das Pilsener, brauche man extrem weiches, mineralreiches Wasser. Und mit diesem Wasser könne er richtig spielen, so Starkmeth. Sein Pilsener Emek könne mit internationalen Standards lo-
cker mithalten. »Es hat eine winzige Spur Restsüße, die die Wirkung des Hopfens spüren lässt. Wirklich ein feines Bier.« Das findet auch Jaron Beinisch, der gerade den letzten Tropfen seines Emek die Kehle hat herunterlaufen lassen. »Es schmeckt anders als die Biere, die wir hier in Israel haben. Richtig köstlich.«
Auch auf das »Golan«, ein altfränkisches Dunkel, ist der Brauer stolz. »An dem Rezept habe ich lange gebastelt, viel Zeit und Liebe reingesteckt.« In Starkmeths ökologischer Brauerei hieß das »Golan« früher »Nikolausbier«. Das Rezept ist ein besonderes Geschenk an die Israelis. 100 Hektoliter sollen hier im Jahr gebraut werden, die Rohstoffe Hopfen und Malz kommen aus Deutschland, die koschere Hefe für das Weizenbier aus Belgien. Sämtliche Biere sind koscher und nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Der Braumeister: »Koscher ändert nichts am Reinheitsgebot und umgekehrt. Das Gebot verbietet lediglich ›unlautere, ungeeignete Zusätze’, und dem tragen wir Rechnung«.
Geplant waren vier Wochen Aufenthalt, aus denen mittlerweile acht Monate geworden sind. Ob er sich vorstellen könne, auf Dauer in Israel zu leben? »Wenn mein Sohn und meine Freundin auch kommen würden, schon. Es ist doch ein tolles Land.« Am Abend packt er oft seine Mundharmonika aus und gesellt sich zu dem Bluesmusiker auf die Bühne. Er scheint sich voll und ganz eingelebt zu haben. »Stimmt. So gut wie in Israel habe ich mich noch in keinem Land gefühlt.« Bestens für seine Auftraggeber. Die nämlich haben noch einiges vor mit ihrem deutschen Experten. Wenn die Golan Brauerei sich bewährt, wollen sie Filialen in Tel Aviv und Jerusalem öffnen – mit Starkmeth als hauseigenem Braumeister.
Doch es war nicht immer entspannt. »Der Anfang war Wahnsinn. Das Gebäude wurde gerade gebaut, und ich musste schon Bier brauen, inmitten von Sägespänen und Schweißgeräten. Manchmal hatte ich Angst, dass mir ein Arbeiter von oben in den Kessel kracht.« Mittlerweile läuft alles rund, nur wenig ist zu kritisieren. Eins aber doch: »Wir brauen hier ein gutes Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot. Das muss mit Schaum ausgeschenkt werden. Da müssen die Israelis noch kräftig lernen.«
Mit Golan, Galil und Emek ist die Bierlinie noch nicht beendet. »Wir fangen ja gerade erst an.« Geplant sind drei Sorten das ganze Jahr über plus Spezialbiere wie Maibock und ein Leichtbier für den Sommer. Ein ganz spezielles ist schon fertig: der Doppelbock. Gerade reift er im Keller, im Mai soll er durch den Ausschank fließen. »Aber ich weiß nicht, ob bis dahin noch etwas da ist«, gibt Starkmeth zu bedenken und schmunzelt, »wir gehen nämlich ständig runter und probieren. Und es ist sooo gut!«

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