von Heide Sobotka
Die Täter kannten sich aus. »Sie wußten, wo sich die Jüdische Gemeinde befindet«, sagt Peter Lewandrowski, der Sprecher der Oberbürgermeisterin der Stadt Cottbus. Kein Schild weise auf das Gebäude hin, in dem die Gemeinde Räume angemietet hat. Das Haus liegt hinter dem sogenannten Durchbruch, etwas versteckt und abseits der Fußgängerzone in der Innenstadt.
In der Nacht zum 5. April hatten Unbekannte die Ziermauer gegenüber der Gemeinde mit großen Hakenkreuzen und dem Spruch »Juden raus« beschmiert. Oberbürgermeisterin Karin Rätzel hatte mit Empörung auf die Schändung reagierte. Der Vorfall sei eine Beleidigung und Schande für die Stadt. »Wir lassen uns von Nazis nicht entmutigen«, betonte sie und rief alle Bürger auf, mit den Juden von Cottbus Solidarität zu zeigen. Am vergangenen Dienstag trafen sich nach Polizeiangaben etwa 350 Cottbuser am Stadthallenvorplatz, andere sprachen von 500 Teilnehmern.
Cottbus habe derzeit keine ausgewiesen rechtsextreme Wählerschaft, sagt Lewandrowski. Bei den vergangenen Kommunalwahlen waren rechtsextreme Parteien gar nicht erst angetreten. Anders sehe es im 50 Kilometer südöstlich gelegenen Tschernitz aus, wo es eine rege rechtsextreme Szene gibt.
Dennoch blieb auch Cottbus von Antisemitismus nicht unbehelligt. 2001 hatten Unbekannte am Neujahrsmorgen vor dem Dreifamilienhaus eines in Cottbus lebenden jüdischen Ehepaares grölend Morddrohungen ausgestoßen und anschließend das Gartentor eingetreten.
Nach fünf Jahren jetzt ein erneuter Anschlag. Vor einigen Tagen war in Cottbus bereits ein Flugblatt aufgetaucht mit einer Solidaritätsadresse an Ernst Zündel, der derzeit in Mannheim wegen Leugnung des Holocaust vor Gericht steht. Es trug den Aufdruck: »Zündel hat recht«. Hakenkreuzschmierereien und antisemitische Parolen wurden darüber hinaus auch noch in zwei weiteren Stadtteilen gefunden.
Max Solomonik vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Cottbus kann sich den Anschlag nicht erklären. »Wir zeigen uns nicht in der Öffentlichkeit, aber wir verstecken uns auch nicht«, betont er. Gott sei Dank sei die Gemeinde bisher von antisemitischen Anschlägen verschont geblieben, sagt er. Einen Zusammenhang mit dem Mannheimer Prozeß sieht das Vorstandsmitglied nicht. »Viele Leute wissen gar nicht, wer Zündel ist.« Erfreut ist die Gemeinde über die Solidaritätsbekundung von Stadt und Kirche. Kurz nach dem Anschlag stattete der Integrationsbeauftragte der Stadt, Michael Wegener, der Gemeinde einen Besuch ab und besprach mit dem Vorstand die Bedrohungslage. Am Dienstagvormittag beriet der Polizeichef mit der Gemeinde Sicherheitsvorkehrungen.
Bislang sind die Täter noch nicht gefaßt. Die Cottbuser Polizei ermittele zwar in alle Richtungen, ihr Hauptaugenmerk richte sie jedoch auf die Rechtsradikalenszene, sagt Polizeisprecher Berndt Fleischer. »Wer kennt denn sonst den Namen Zündel und übernimmt seine Denkweise, wenn er sich nicht in diesen Kreisen bewegt?« Man gehe deswegen auch davon aus, daß Hakenkreuzschmierereien und die Flugblattaktion von denselben Tätern verübt wurden, sagt Fleischer.