geschichte
Parias
in Weiß
Hamburgs jüdische Ärzte im
»Dritten Reich«
Der eine starb 88jährig im KZ Theresienstadt. Der andere ruht im brasilianischen Exil; sein Grab schmückt der Rosenstock eines dankbaren Hamburger Patienten. Der dritte, dem 1939 in letzter Minute die Flucht über den Ärmelkanal gelang, liegt begraben in der südenglischen Grafschaft Surrey. Alle drei teilen mit gut 450 anderen das Schicksal, in den finstersten Jahren der deutschen Geschichte jüdische Ärzte in Hamburg gewesen zu sein. Ihre Schicksale für die Nachwelt festzuhalten, hat sich Anna von Villiez zum Ziel gesetzt. »Wer erinnert sich noch daran, daß vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten fast jeder vierte Arzt in Hamburg Jude war?«, fragt die junge Hamburger Historikerin. Und vor allem: »Wer waren sie, wie lebten sie, was geschah nach 1933 mit ihnen und ihren Familien?«
Deshalb hat die 31jährige jetzt ein Buch mit Kurzbiographien aller jüdischen Ärzte verfaßt, die zwischen 1933 und 1945 in der Hansestadt lebten. Die Idee dazu stammt von den Hamburger Orthopäden Thomas Brinkmann und Jürgen Zippel. Ursprünglich wollten sie das von der Hamburger Ärztekammer unterstützte Projekt selbst umsetzen; doch nach umfangreichem Suchen in den Archiven stießen sie rasch an ihre Grenzen. »Wir mußten einsehen, daß wir unser Ziel nur mit professioneller Hilfe erreichen würden«, sagen sie. Die kam von der Arzttochter Anna von Villiez, auf deren Magisterarbeit über »Die Verdrängung der jüdischen Ärzte Hamburgs aus dem Berufsleben 1933-1945« Brinkmann und Zippel bei ihren Recherchen gestoßen waren.
Das Buch, das bei Dölling und Gallitz erscheinen wird, wird sich nicht nur auf die Kurzbiographien der Opfer beschränken. Beantwortet werden soll auch die Frage, »wer die Hauptakteure in dem Ausschaltungsprozess jüdischer Ärzte waren«, sagt die Autorin. Konkret: Welche Rolle spielten Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung und wie verhielten sich die »arischen« Kollegen? Hamburgs Ärztekammer stellt sich damit einem dunklen Kapitel ihrer Geschichte. Anläßlich der Buchpräsentation im September wird die Kammer mit der Enthüllung einer Gedenktafel am Sitz ihrer Vereinigung der ermordeten und vertriebenen jüdischen Kollegen gedenken. Gabriela Fenyes