von Ingo Way
Überlebende des KZ Buchenwald und Opferverbände haben am vergangenen Sonntag in Weimar vor einer Verharmlosung des Nationalsozialismus gewarnt. In einer Gedenkstunde zum 70. Jahrestag der Errichtung des Lagers Buchenwald zeigten sich der Präsident des Internationalen Buchenwald-Komitees, Bertrand Herz, der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und der ehemalige Häftling Ottomar Rothmann entsetzt über das Erstarken des Rechtsextremismus.
Droht eine Verharmlosung des Nationalsozialismus auch durch den Entwurf für ein Gedenkstättenkonzept des Bundes, das Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) Anfang Juli vorgelegt hat? Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, hatte sich in der Gedenkstunde dagegen gewandt, dass nach diesem Konzept das NS- und das SED-Regime »parallel aufgearbeitet« werden sollten. Beide hätten nichts miteinander zu tun. »Jeder Versuch, Parallelen herzustellen, ist eine Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik«, sagte Kramer. Ferner warf er dem Bund vor, eine staatlich verordnete Gedenkstättenpolitik zu planen, indem er Opferverbände und Wissenschaftler der Gedenkstätten von der Mitarbeit ausschließe. Damit schloss sich Kramer der Kritik des Vizepräsidenten des Zentralrats, Salomon Korn, an, der sich bereits zwei Tage zuvor »enttäuscht« über das Gedenkstättenkonzept geäußert hatte: »Die konzeptionelle Vermischung der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit von NS- und SED-Diktatur (führt) zu Missverständnissen und zu zukünftig unheilvollen Entwicklungen«.
In der Tat heißt es in Neumanns Konzept, dass »parallel« zum Gedenken an die NS-Verbrechen auch an das »Unrecht der SED-Diktatur« erinnert werden soll. Zugleich wird betont, dass der »Singularität des Holocaust ... unvergleichliche Bedeutung« zukomme und »den Unterschieden zwischen NS-Terrorherrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen« sei. »Weder dürfen die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert, noch das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden.« Dazu passt Neumanns Ankündi- gung, dass die Aufarbeitung der Diktatur in der DDR »erheblich verstärkt« werden soll. Gleichzeitig werden die KZ-Gedenkstätten in Dachau, Bergen-Belsen, Hamburg-Neuengamme und Flossenbürg in die institutionelle Förderung des Bundes aufgenommen, sollte der Entwurf die Koalitionsgremien passieren. Bisher förderte der Bund in diesen Gedenkstätten nur einzelne Projekte, der Rest der Finanzierung kam von den Ländern. Die Einzelprojektförderung wird zudem fortgesetzt.
Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, hält Neumanns Vorschlag, eine »Ständige Konferenz« der Leiter der Berliner NS-Gedenkorte einzurichten, für eine »gute Idee«. Damit bleibe die Eigenständigkeit dieser Orte gewahrt. »Weniger einleuchtend« findet er das vorgesehene Beratungsgremium, das Empfehlungen über die Förderwürdigkeit von Projekten aussprechen soll. In diesem Gremium sollen das Deutsche Historische Museum, das Haus der Geschichte, die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, das Institut für Zeitgeschichte sowie ein Universitätshistoriker vertreten sein.
Für Nachama besteht das Problem darin, dass dieser die NS-Zeit »und/oder« die SED-Diktatur als Forschungsschwerpunkt haben soll. Die Formulierung »und/oder« lasse die Möglichkeit offen, dass ein Historiker berufen wird, der sich allein mit der DDR beschäftige – dann habe die Aufarbeitung der SED-Herrschaft tatsächlich ein Übergewicht. Hier bestehe Klärungsbedarf. Dass beide Weisen der Erinnerung bei einem Gremium untergebracht sind, hält Nachama für unproblematisch. Den NS-Gedenkstätten werde weder Geld entzogen noch konzeptionell hineingeredet.
Die Leiter der NS-Gedenkstätten sind nun aufgefordert, eine Stellungname zu den Vorschlägen des Kulturministers abzugeben. Derzeit arbeiten sie an einer gemeinsamen Erklärung, die bis Mitte August vorliegen soll. Bis dahin wollen sie sich zu den Plänen nicht öffentlich äußern.