von Alexander Kluy
Was machen zwei erfolgreiche jüdische Schriftsteller, wenn ihre Freundschaft immer enger wird? Der eine unterbreitet dem anderen einen Heiratsantrag. Natürlich im Scherz. Ephraim Kishon (1924-2005) und der 16 Jahre ältere Friedrich Torberg waren beide strikt heterosexuell. Aber seit 1960 unterhielten sie als Autor und Übersetzer eine Arbeitsalliance, die alle klassischen Paarbeziehungsstufen durchlief: Attraktion, Begeisterung, Erfolg, erste Distanzierung, Fast-Bruch – auch ganz klassisch: der Finanzen halber –, schließlich fragile Versöhnung.
All das lässt sich jetzt nachlesen in der ursprünglich englisch geschriebenen Korrespondenz zwischen den beiden von 1960 bis kurz vor Torbergs Tod im November 1979. Bei der Auswahl der »weit über tausend Briefe«, schreibt das Editorenduo, die Kishon-Witwe Lisa Witasek und David Axmann, Torberg-Witwe ehrenhalber, »folgten die Herausgeber sowohl sachlicher Sinnhaftigkeit wie subjektiver Neigung«. Will sagen: Wie bei ande- ren Best-of-Bänden Torbergs bleibt auch bei dieser Korrespondenz im Dunkel, ob man tatsächlich ein Best Of in Händen hält oder nur das, was die Nachlassverwalter dafür erachten. Und wie bei al-len anderen Langen-Müllerschen Torberg-Bänden verdient die Kommentierung den Na- men nicht, vergleicht man sie etwa mit dem im Mai bei Synema erschienenen, von Marcel Atze vorbildlich edierten Briefwechsel Torbergs mit Marlene Dietrich.
Ist dies hartnäckige Gleichgültigkeit des Verlags gegenüber Torberg? Oder ein Kniefall vor der Cashcow Kishon? Schließlich fiel von den 60er- bis in die 80er-Jahre in Deutschland kaum ein anderer Name, kam die Rede auf Literatur aus Israel, als Ephraim Kishon. Bösartige Stimmen sind bis heute nicht verstummt, die sagen, dass Kishon, der alles war, nur kein Satiriker, Ruhm, Erfolg und Millionenauflagen seiner humoristischen Prosa im deutschsprachigen Raum einzig seinem wortmächtigen Bearbeiter Torberg verdankte. Der streitbarer Kritiker, nach 1945 weitgehend verhinderter Romancier und Erzähler, Redakteur und, vor allem anderen, hinreißender und hingebungsvoller Briefeschreiber – 35.000 Briefe haben sich in seinem Nachlass erhalten – übersetzte Kishons Bücher nicht aus dem Hebräischen, sondern fertigte seine freizügig ausufernden Bearbeitungen auf Grundlage der englischen Kishon-Übersetzungen an. O-Ton Torberg an Kishon: »Und jetzt lass mich bitte meinem Übersetzungswerk den letzten Schliff geben, den berühmten ›Torbergschliff‹, der so viele Menschen glauben macht, dass ›Kishon‹ nur eines meiner vielen Pseudonyme ist.«
Dieser neckende, Eitel- wie Bitterkeit manchmal deutlich enthüllende Tonfall zieht sich durch die Mitteilungen des Wieners wie des Tel Avivers. Fast von Anfang an steckten in den ironischen Bemerkungen beider Widerhaken, oft freundlich vergiftete, die mal auf Gegner zielten, oft genug aber auf das Gegenüber. Torberg, der deutlich Humorbegabtere der beiden, im August 1964: »Du musst ein Zwilling von diesem hoffnungsvollen Anfänger Ephraim Kishon sein, der mit Hilfe eines prominenten Schriftstellers und einflussreichen Kulturfaktors im deutschsprachigen Raum unverdientermaßen zu Ruhm gelangt ist und deshalb im Glauben lebt, dass besagter Kulturfaktor nichts andres mehr im Sinn hätte als ihn, Ephraim Kishon. Du musst sein Zwilling sein, denn der andre Ephraim Kishon, den ich kennengelernt habe, würde so etwas niemals tun.«
Was würde Kishon nicht tun? Ihn, Torberg, in Interviews unterschlagen, eigensüchtig lukrative Deals aushandeln. Und zugleich den finanziell notorisch klammen und zeitlich notorisch überlasteten Torberg zu neuen Übersetzungen antreiben. Kishon an Torberg: »Ich verstehe, dass Du in Deinem Leben noch andere Ziele hast, als mich den guten alten Deutschen zu präsentieren, aber was soll ich machen, wenn Du so erfolgreich bist? Verhau die nächste Übersetzung, dann herrscht Ruhe …«
Doch das tat Torberg nicht. Schließlich hatte er gleich zu Anfang des ersten der insgesamt zehn von ihm adaptierten Büchern des gebürtigen Ungarn Kishon bekannt: »Was mich sowohl in ungarischer wie in hebräischer Hinsicht zum Übersetzen befähigt, ist der Umstand, dass ich in meiner Jugend den Wasserballsport pflegte, und zwar in einer von einem ungarischen Juden trainierten Mannschaft. Wenn das keine hinlängliche Garantie für eine perfekte deutsche Fassung von ›Mrs. Lot‹ ist, dann weiß ich nicht …«
Wir auch nicht. Und die Leser ebenso wenig. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, dass Kishons Stern nach Torbergs Tod sank, Kulturkonservativ-Reaktionäres bei ihm die Oberhand gewann und seine Bücher heute nur noch in der Schmunzelecke geduldet werden.
ephraim kishon/friedrich torberg: dear pappi – my beloved sargnagel. briefe einer freundschaft
Hrsg. von Lisa Kishon und David Axmann. Übersetzt von Dagmar Roth und David Axmann
Langen Müller, München 2008. 272 S., 17,95 €