Kurzfilmtage

Palästina mon amour

von Erika Rubinstein

Die Oberhausener Kurzfilmtage, das älteste Kurzfilmfestival der Welt, das bis vergangenen Dienstag zum 52. Mal lief, haben immer großen Wert auf politische Statements gelegt. Traditionell reagiert die Festivalleitung auf das aktuelle Weltgeschehen, knüpft entweder mit einem auf das Ereignis fokussierten Programm oder gar mit politischen Aktionen an. 2003 wurden beispielsweise alle offiziellen staatlichen Vertreter von Nationen, die sich am Irakkrieg beteiligten, vom Festival ausgeladen.
Dieses Jahr standen Arbeiten aus dem und über den Nahen Osten im Mittelpunkt. Radical Closure / Send me to the seas of love, I’m drowning in my blood (Radikaler Abschluß / Schick mir die Meere der Liebe, ich ertrinke in meinem Blut) hieß der Schwerpunkt, der vom libanesischen Künstler Akram Zaatari als Kurator zusammengestellt wurde. Unter anderem liefen in diesem Sonderprogramm einige Filme aus Israel oder über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Closure (Schluß) ist eine Metapher, ein Zustand zwischen blutiger Gegenwart und dem gewünschten friedvollen Leben. Unvermeidlich, hier das Recht der Pa- lästinenser auf ihre Rückkehr nach Hause zu erwähnen, und die aktuelle Teilung des Nahen Ostens, den Status quo, der Extremismus, ständige Militarisierung des öffentlichen Lebens und den Mangel an Toleranz gebiert«, sagt Akram Zaatari. In Cyn- thia Madanskys Still Life (USA 2004) sehen wir Ruinen palästinensischer Städte – kaputte Häuser, resignierte Menschen und eine Off-Stimme, die fragt: »Würdest Du so leben wollen? Wer ist dafür verantwortlich? Haben dies Panzer zerstört? Möchtest Du, daß Deine Kinder so leben? Wer ist dafür verantwortlich?« 15 Minuten lang Fragen, und doch ist die Antwort, die Position der Regisseurin sehr klar.
Matei Glass aus Spanien filmt in Magnetic Identities (2004) einen Menschenfluß von Palästinensern, die durch den zwei Kilometer langen Eretz-Tunnel nach Israel einreisen möchten. Dieser Prozeß dauert im Durchschnitt zwei bis vier Stunden. Es liegt in der Hand eines Soldaten, ob jemand eine magnetische Karte zum Einreisen bekommt oder nicht. Genau wie Madansky verzichtet Glass auf Kommentar und Wertung, verläßt sich auf die scheinbar eindeutige Sprache ihrer Bilder.
Sharif Waked aus Israel inszeniert in Chic Point eine Modenschau mit exzentrischer Kleidung, bei der die nackten, behaarten Bäuche palästinensischer Männer im Vordergrund stehen: Ein groteskes Hemd mit dem Kragen am Bauch oder ein Shirt mit einem runden Bauchausschnitt. Im Kontrast zur skurrilen Modenschau werden Dokumentarbilder an Grenzübergängen gezeigt, bei denen palästinensische Männer ihre Bäuche israelischen Grenzsoldaten zeigen müssen.
Auch prominente israelkritische Regisseure wie Avi Mograbi oder die in Amsterdam lebende Yael Bartana zeigten ihre Werke im Sonderprogramm. Auch sie beziehen klar Stellung zugunsten der Palästinenser. Eine andere Position sucht man in dem politisch einseitigen Programm in diesem Jahr vergeblich.
In verschiedenen Wettbewerben des Festivals laufen weitere Filme aus Israel oder zu jüdischen Themen, so wie Sei still von Sameh Zoabi (Frankreich 2005) im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb. Auf ihrer Fahrt von Israel in die palästinensischen Gebiete werden ein Junge und sein Vater mit der politischen Realität der Region konfrontiert. Gleichzeitig versucht der Vater, seinen etwa zehnjährigen Sohn zu erziehen. Im Kinderwettbewerbsbeitrag Julot (Israel 2005) von Maya Tiberman spielt ein kleines Mädchen mit Murmeln und begibt sich dabei auf eine magische Reise durch Jerusalem, bei der alles bunt ist und sich wie wild bewegt.
Im Internationalen Wettbewerb liefen zwei weitere israelische Filme. In Still under Treatment von Aya Ben Ron werden sieben Patienten kurz vor dem Einschlafen durch die Narkose gefilmt. Dabei kontrastieren häßliche Luftgebläsegeräusche mit zarter Chopin-Musik. In Two Women and a Man konstruiert der Künstler Roee Rosen die fiktive Biographie der jüdisch-belgischen Pornokünstlerin Justine Frank. Dabei erscheint ihr virtuelles Leben so echt und so nachvollziehbar, daß man sich als Zuschauer direkt auf die Suche nach diesem abenteuerlichen 20er-Jahre-Schicksal begeben möchte.

Kultur

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