von Frank Lachmann
Wenn am Freitag die Jüdischen Kulturtage zum 21. Mal eröffnet werden, dann ist das für die Jüdische Gemeinde zu Berlin und ihre Gäste gleich in zweifacher Hinsicht Anlass zur Freude. Denn auf dem diesjährigen Programm mit seiner Mischung aus Musik, Theater, Lesungen und Ausstellungen steht die Wiedereröffnung der Synagoge Rykestraße als besonderes Ereignis ganz oben. So ist der Festakt, der an diesem Freitag um 11 Uhr mit der Einbringung der Torarollen in das restaurierte Gotteshaus im Prenzlauer Berg beginnt, zugleich die offizielle Eröffnung des zehntägigen Kulturprogramms, das unter dem biblischen Leitsatz »… Du rede mit allen Kunstverständigen, die ich erfüllt mit dem Geist der Kunst …« steht.
»Was die Kulturtage in diesem Jahr besonders macht, ist, dass sie mit dem ältesten Bestandteil der Kultur beginnen, mit der Religion«, sagt der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe. Peter Sauerbaum, künstlerischer Leiter der Kulturtage, ergänzt: »Die Synagoge Rykestraße ist ein wesentlicher Veranstaltungsort. Bei den Kulturtagen soll sie ein Ort der Begegnung sein, auch von Juden und Nichtjuden.«
Dass das 1904 erbaute Gebäude tatsächlich schnell wieder zu einem Zentrum jüdischen Lebens werden soll, das wird schon bei einem kurzen Blick in den Veranstaltungskalender klar. Gleich am Freitag um 19 Uhr gibt es dort die Gelegenheit, am Schabbat-Gottesdienst teilzuneh-
men. Der Rundfunkchor Berlin, der schon die Eröffnungsfeier am Vormittag musikalisch umrahmen wird, begleitet auch den Gottesdienst mit dem Vortrag liturgischer Werke von Lewandowski, Chajes, Schalit, Adler und Belinsky. Am nächsten Tag sind die Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Samuel Adler ebenfalls in der Rykestraße zu Gast. Dort findet um 21 Uhr ein Konzert im Rahmen der »Langen Nacht der Synagogen« statt. Auch andere Berliner Synagogen öffnen abends ihre Türen für die Öffentlichkeit. Wer also keine Ahnung hat, was Kaddisch, Kippa und Kiddusch bedeuten und was es mit dem koscheren Essen auf sich hat, der kann an diesem Abend Rabbiner und Gemeindemit-
glieder treffen, die für Auskünfte, Ge-
spräche und Führungen zur Verfügung stehen. »Das Ziel der Kulturtage«, so Joffe, »ist ja auch, neugierig zu machen auf die jüdische Kultur, die jüdische Religion, auf jüdische Menschen. Letztlich geht es darum, ein tolerantes und verständnisvolles Miteinander zu fördern.«
Ab Sonntag wird es in der Rykestraße dann teilweise etwas lauter zugehen, denn der Synagogenraum ist Veranstaltungsort für drei weitere Konzerte. Den Anfang macht die Combo »Klezmer Karma« (20 Uhr). Der ungarische Teufelsgeiger Roby Latakos und sein Ensemble werden dem Publikum mit den kraftvollen Melodien so richtig einheizen. Mit auf der Bühne: die aus Israel stammende Sängerin Myriam Fuks, die alte Klesmerweisen in all ihren Facetten interpretiert. Am Montag (20 Uhr) geht es dann mit David Broza etwas ruhiger weiter. Broza, in Israel ein absoluter Superstar, spielt urbanen Folk mit lateinamerikanischem Einschlag auf seiner Gitarre und singt dazu auf einfühlsame Weise in Hebräisch, Spanisch und Englisch. Doch auch ernstere Töne werden in der Rykestraße im Laufe der Kulturtage angeschlagen. Der Erinnerung an die in der Schoa ums Leben gekommenen Künstler und ihre Werke sind zwei Veranstaltungen gewidmet. Am Donnerstag (20 Uhr) spielt der britische Starviolinist Daniel Hope Stücke der in Theresienstadt ermordeten Komponisten Gideon Klein, Erwin Schulhoff und Hans Krása. Und am Samstag (8. September, 21 Uhr) kommen dann Stars wie die Schauspielerin Hannelore Elsner, der Rapper Thomas D. und die Soulsängerin Joy Denalane zusammen, um unter dem Titel »Selma – In Sehnsucht eingehüllt« Gedichte der mit 18 Jahren in einem deutschen Arbeitslager in der Ukraine umgekommenen Selma Meerbusch-Eisinger vorzutragen.
Während der zehn Festivaltage können die Besucher jüdische Kultur auch an anderen Orten, wie dem Centrum Judaicum an der Oranienburger Straße und dem Gemeindehaus an der Fasanenstraße, erleben. Aber im Mittelpunkt steht die mit 1.200 Plätzen größte Synagoge in Deutschland, die auch nach den Kulturtagen nicht nur wieder als Gotteshaus, sondern auch als Konzertraum genutzt werden soll.
21. Jüdische Kulturtage Berlin, 31. August bis 9. September, Zentrale Tickethotline: 01805/ 44 70 111, Programm und weitere Informationen im Internet:
www.juedische-kulturtage.org