von Benjamin Hammer
»Einatmen, ausatmen, schließt eure Augen!« Dalia Atzmon macht vor, wie es geht und 20 jüdische Studenten aus Nordrhein-Westfalen tun es ihr gleich. Sie sitzen im Schneidersitz in einem Saal der Aachener Synagoge und üben – Yoga. Atzmon kam vor zwölf Jahren aus Israel nach Deutsch-
land. Die 64-jährige Malerin lehrt in ihrer Freizeit die fernöstliche Entspannungs-
technik. Den Bezug zum Judentum be-
schreibt sie so: »Sowohl beim Yoga als auch in unserer Religion streben wir nach der Erleuchtung«, und sie verweist auf Parallelen zur jüdischen Mystik. Doch Yoga könne das Judentum nur ergänzen und nicht ersetzen: »Das ist eine Lebensart, keine Religion.«
»Achtet auf Eure Atmung«, sagt Atzmon zu den Studenten. Sie sind auf Einladung des Jüdischen Studentenverbandes am vergangenen Wochenende nach Aachen gekommen. »Ihr müsst Eure Sorgen rauspusten und dann neue Lebenskraft einatmen.« Atzmon setzt an zu einem summenden »Ommm«, und weil es Yoga in der Synagoge ist, macht sie »Ommm, Scha-
lom« daraus. »Ihr müsst Euch entspannen«, sagt sie. Am entspanntesten von al-
len in der Runde schaut der Gemeinderabbiner Jaron Engelmayer. Mit 31 Jahren könnte er fast als einer der Studenten durchgehen. »Die Arbeit mit jungen Leuten ist absolut fundamental«, sagt Engelmayer. »Die sind unsere Zukunft.« Vor zweieinhalb Jahren versuchte er daher, den Jüdischen Studentenverband in Aachen neu zu beleben – mit Erfolg. Heute zählt die Gruppe 20 aktive Mitglieder. Den Zusammenhang zwischen Judentum und Yoga sieht der Rabbiner jedoch kritischer. »Beim Yoga dreht man sich im Grunde um sich selbst. Aber im Judentum dreht sich alles um Gott.« Engelmayer rät, dass man Vergleiche zwischen der Religion und Yoga nur mit der Hilfe eines Rabbiners anstellt. Ein Blick ins Internet zeigt, warum der Rabbiner skeptisch ist. Dort gibt es nicht nur unzählige kommerzielle Anbieter von Kabbala-Kursen. Es gibt von denen auch einige, die gezielt auf den Zusammenhang zwischen Yoga und Judentum anspielen. Eine unerlaubte Vermischung, findet Engelmayer
Der Rabbiner sieht auch eine Gemeinsamkeit: Für beide ist die Ruhe eine wichtige Kraft. »Im Judentum ist der Schabbat unsere Insel der Erholung«, meint Engelmayer. »Gespannt sein auf Entspanntes« nannten die Aachener Studenten deshalb auch ihr Seminar. Die Yoga-Übung sei ein guter Ruhepol gewesen, sagt Teilnehmerin Alexandra Linden, die das Wochenende mitorganisiert hat. Neben der Meditation standen auch ein Kabbalat Schabbat und verschiedene Kurse, zum Beispiel zum Thema Konfliktlösung, auf dem Programm. Dalia Atzmon glaubt auch hier an die Kraft von Yoga. »Dadurch erlangt man seinen inneren Frieden. Wenn wir glücklich mit uns selbst sind, dann kommt es auch zu keinen Konflikten«, sagt sie – und strahlt.