Am kommenden Mittwoch ist es soweit: Anderthalb Jahre nach dem missglückten Waffengang im Libanon legt die von der Regierung ernannte Kriegsuntersuchungskommission ihren abschließenden Bericht vor. Der Bericht nimmt das Vorfeld und alle Stadien des Krieges unter die Lupe, nachdem der im letzen Jahr vorgelegte Zwischenreport sich auf die ersten Kriegstage konzentriert hatte. Auf persönliche Empfehlungen – also Forderungen nach dem Rücktritt von Entscheidungsträgern – hat die Kommission verzichtet, um ihre Arbeit nicht noch mehr in die Länge zu ziehen. Dennoch ist die Frage, um die es am 30. Januar und in den darauf folgenden Wochen gehen wird, überaus persönlicher Natur: Kann Ministerpräsident Ehud Olmert den Schlussbericht politisch überleben?
Den Zwischenreport vermochte der gewiefte Taktiker Olmert auszusitzen. Sein wichtigster Koalitionspartner, der Verteidigungsminister und Vorsitzende der Arbeiterpartei Ehud Barak will das Regierungsbündnis verlassen, falls Olmert nach Vorlage des vollen Kommissionsberichts nicht seinen Hut nimmt. Bleibt Barak konsequent, muss die Kadima-Partei entscheiden, ob sie auf die Macht oder auf Olmert verzichtet. Für viele Parteifreunde keine schwere Wahl: Sie suchen jetzt schon nach Wegen, den Chef loszuwerden. Als aussichtsreichste Nachfolgekandidatin gilt Außenministerin Zipi Liwni. Sie geht schon in die Startlöcher, etwa indem sie medienwirksam plötzliches Interesse an Militärfragen zeigt, wie es sich für eine Regierungschefin eben gehört. Ein anderes Szenario: Rechts stehende Koalitionäre wie die orthodoxe Schas, der rechte Flügel von Kadima oder einige der sieben Deputierten der Rentnerpartei nehmen Olmerts Sturz als Anlass zur Desertion zum Likudchef Benjamin Netanjahu. Auch dann ist die Ära Olmert vorbei. Möglicherweise war der Glaube an Olmerts baldigen Sturz das wahre Motiv für den jüngsten Koalitionsaustritt der rechten Israel Beitenu.
Zerfällt das Regierungsbündnis, wären Neuwahlen die wahrscheinlichste Folge. Davor aber graut es den Koalitionsabgeordneten von Kadima, der Arbeits- und der Rentnerpartei: Im Falle eines Urnengangs haben die meisten von ihnen nämlich keine Aussicht auf eine Wiederwahl. Diese Angst seiner Mitregierenden wird Ehud Olmert im Kampf um den Machtverbleib mit Sicherheit für sich nutzen – und sei es um ein weiteres Amtsjahr zu gewinnen. In dessen Verlauf könnte er versuchen, einen Friedensdeal mit dem um seinen eigenen Machterhalt bangenden Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas auszuhandeln. Damit wäre zumindest sichergestellt, dass er in künftigen Geschichtsbüchern nicht nur als Kriegsversager dargestellt wird.
Wladimir Struminski
Libanonkrieg