von Sebastian Sigler
Im Münchner Stadtrat ist die Stimmung an diesem Mittwochnachmittag angespannt. Auf der Tagesordnung steht die umstrittene Meiserstraße. Den Grünen-Stadtrat Siegfried Benker stört schon lange, dass der evangelische Bischof Hans Meiser (1881-1956) bis heute durch einen Straßennamen geehrt wird. Am 30. Januar 2007 hatte er deshalb die Umbenennung beantragt. Schon 1998 wollte er die Erinnerung an Meiser vom Münchner Stadtplan tilgen, doch damals spielte die SPD nicht mit.
Niemand im Stadtrat leugnet die antisemitischen Ausfälle des Kirchenmannes. So hatte Meiser 1926 von einem »alles nivellierenden, die sittlichen Grundlagen unseres Volkstums zersetzenden, bis zur Laszivität ausschweifenden jüdischen Geist« schwadroniert und zur Judenbekehrung aufgerufen. Die Liste solcher Zitate ließe sich beliebig fortsetzen. Marian Offman, stellvertretender Präsident der Münchner Kultusgemeinde und CSU-Stadtrat, gibt zu bedenken: »Aus meinem Glauben heraus muss ich aber auch sagen: Wer eine Seele rettet, der rettet die ganze Welt. Und Bischof Meiser hat in den Jahren der Schoa 120 ursprünglich jüdische Menschen gerettet.«
Oberbürgermeister Christian Ude und seine SPD-Fraktion haben sich diesmal Benkers Meinung angeschlossen. Die CSU möchte stattdessen Meisers Haltung wissenschaftlich aufarbeiten. Auch die FDP lehnt die Umbenennung der Straße ab.
Der Antrag wird am Ende der Debatte mit den Stimmen der rot-grünen Stadtratsmehrheit angenommen, auch Offman stimmt für die Entnennung: »Das bin ich allein schon den Überlebenden des Holocaust schuldig.« Lydia Dietrich, Fraktionsvorsitzende der Grünen, ergänzt: »Wir sind erleichtert, dass sich der Stadtrat nach nunmehr über neun Jahren entschlossen hat, die Straße umzubenennen und damit ein klares Signal gegen Antisemitismus zu setzen.« Dieses Signal nimmt indes auch die CSU für sich in Anspruch. Für deren Fraktionsvorsitzenden Josef Schmid kommt die Entscheidung zu früh: »Hans Meiser war ein Mann, der sich vor 1933 antisemitisch geäußert hat. Er hat sich aber auch vor 1933 gegen Hitler geäußert und geriet später in Konflikt mit dem Regime. Deshalb, so glaube ich, hätte die Gesamtpersönlichkeit von Hans Meiser in dem von der evangelischen Kirche bereits anberaumten Symposium geklärt werden müssen.«
Der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich gibt zu bedenken: »Meiser hat viel für seine Kirche getan.« Das wiege natürlich nicht die andere Seite Meisers auf: »Seine unsäglichen Äußerungen über Juden aus den Jahren 1926 und 1944, sein öffentliches Schweigen zu den Morden der Nazis in den KZs, seine wenigen Worte über seine eigene und die unheilvolle Rolle der evangelischen Kirche im Dritten Reich.« Die Entnennung der Straße sei jedoch ein »Unwerturteil« über die ganze Person Meiser, das ihm keinesfalls gerecht werde. Die evangelische Landeskirche prüft, ob sie gegen die Stadtratsentscheidung vor Gericht ziehen soll.
Unklar bleibt vorerst, wie die nun namenlose Straße in Zukunft heißen soll. OB Christian Ude plädiert für eine Persönlichkeit des Protestantismus, »die nicht mit der Nähe zum Antisemitismus belastet ist«.