Einspruch

Ohne Kopftuch und Kippa?

Doron Rubin

Einspruch

Ohne Kopftuch und Kippa?

Doron Rubin hält das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Praxis für schwer umsetzbar

von Doron Rubin  28.10.2022 12:03 Uhr

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst bestätigt, dass nationale Gerichte privaten Arbeitgebern gestatten dürfen, ihren Arbeitnehmern das Tragen religiös konnotierter Kleidung wie Kopftuch oder Kippa im Beruf zu verbieten. Das Verbot müsse hierfür auf jede Bekleidung, unabhängig von der konkreten Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, angewandt werden.

Der Wunsch des Arbeitgebers, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, sei als Teil der europarechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit zwar an sich ein legitimes Anliegen, um ein solches Verbot zu begründen. Durchsetzen könne der Arbeitgeber das Anliegen indes nur, wenn dazu ein wirkliches Bedürfnis festgestellt werden kann. Dieses Bedürfnis habe der Arbeitgeber nachzuweisen.

neutralität Wie also ist das Urteil einzuordnen? In der Praxis dürfte es sich als schwierig erweisen, als Arbeitgeber religiös konnotierte Kleidung global zu verbieten. Das »wirkliche Bedürfnis«, das der Arbeitgeber nachzuweisen hat und das nicht in dem abstrakten Wunsch, ein Bild der Neutralität zu vermitteln, bestehen darf, muss erst einmal gefunden werden.

In Deutschland kommt Arbeitnehmern zudem der Schutz der Religionsfreiheit aus Artikel 4 Grundgesetz zugute.

In Deutschland kommt Arbeitnehmern zudem der Schutz der Religionsfreiheit aus Artikel 4 Grundgesetz zugute, der mittelbar auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung findet. Dieser Schutz ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, wenn er über den Schutz des Europarechts hinausgeht.

Wenig überraschend ist insofern der Fall einer deutschen Erzieherin, die für das Vorgängerurteil des EuGH 2021 (mit-)verantwortlich war. Das Luxemburger Gericht hat die hier wiedergegebenen Kernsätze bereits damals festgeschrieben. Infolge des Urteils hat der Arbeitgeber die Abmahnungen gegenüber der Erzieherin zurückgenommen – und ihr die Arbeit mit Kopftuch mittlerweile gestattet. Selbiges müsste auch für Kippa, Zizit und andere jüdische Symbole gelten.

Der Autor ist Richter in Berlin und Vorsitzender von Kahal Adass Jisroel.

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