von Marina Maisel
Die Michaelskirche in Wolfratshausen war zum Festakt der Ausstellungseröffnung überfüllt. Ein altes Schwarz-Weiß-Foto, auf eine große Leinwand projiziert, trägt den Titel »Wir lebten in einer Oase des Friedens …«. Zu sehen sind 18 junge Frauen. Sie hatten es sich 1929 im Garten der Jüdischen Haushaltsschule in Wolfratshausen an einem runden Tisch unter einem riesigen Sonnenschirm gemütlich gemacht.
Die Historikerin Sybille Krafft eröffnete zusammen mit der Pfarrerin Kirsten Jörgensen den Abend und stellte die Gruppe »Jüdische Spuren in Wolfratshausen« vor. Unter Leitung dieser beiden Frauen erforschte die Gruppe mit Dagmar Bäuml-Stosiek, Gisela Egelhaaf, Hannelore Greiner, Christine Noisser und Marlene Petsch seit Sommer 2002 ehrenamtlich die Geschichte der jüdischen Haushaltsschule in Wolfratshausen. Die Gruppe entstand durch eine Kooperation zwischen dem Historischen Verein und der Kirchengemeinde Wolfratshausen.
Als »besondere Schule in einer besonderen Zeit« wird die Mädchenschule heute bezeichnet. Sie wurde 1926 gegründet als eine Einrichtung des Jüdischen Frauenbundes, Ortsgruppe München.
Rabbiner Leo Baerwald, dessen Tochter Gabriele selbst Schülerin hier war, sowie Rabbiner Ernst Ehrentreu kamen regelmäßig aus München nach Wolfratshausen, um die »strenge rituelle Grundlage« der Schule zu gewährleisten. Die Mädchen lernten dort, wie man einen jüdischen Haushalt führt, koscher kocht, näht, Tiere versorgt, Pflanzen pflegt und Sauberkeit hält. Doch das war nur die Basis. Die Schülerinnen bereiteten sich hier auf weiterführende wirtschaftliche, soziale und pädagogische Berufe vor.
Das ungetrübte, ja fast idyllische Leben änderte sich in kürzester Zeit. In den Anfängen der NS-Zeit war die »Oase« ein Zufluchtsort für junge jüdische Mädchen aus dem ganzen Deutschen Reich. Doch mit dem 9. November 1938, der Reichspogromnacht, war die Geschichte der »Wirtschaftlichen Frauenschule auf dem Lande« zu Ende. Alle Schülerinnen und Lehrer wurden gewaltsam vertrieben. Die Schule wurde geschlossen.
Die Geschichtsforscherinnen aus Wolfratshausen von heute machten sich auf die Suche nach den einstigen Schülerinnen. Die Suche führte sie nach Israel, in die USA, nach England und Kanada. Das Ergebnis ihrer Arbeiten ist die Wanderausstellung »Wir lebten in einer Oase des Friedens…«. Neben sechs Skulpturen und Informationsmaterial auf Stellwänden umfasst die Ausstellung auch eine Dokumentationsreihe mit Videointerviews von 13 ehemaligen Schülerinnen, ein Heft mit grundlegenden Informationen zur Geschichte der Schule sowie didaktisches Material zur Aufarbeitung des Themas in Schulen.
In der Michaelskirche wurden neben zahlreichen Ehrengästen, darunter auch Karin Stoiber, die Gattin des bayerischen Ministerpräsidenten, drei ehemalige Schülerinnen begrüßt: Bettina Cohn, Ruth Young und Ellen Rawson, die den Besuchern immer wieder die Bilder erläutern mussten.
Als ein »Geschenk des Zutrauens« bezeichnete es Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in ihrer Eröffnungsrede, »dass Jüdinnen und Juden mit uns leben wollen und dass wir einig sind: nie wieder Antisemitismus und faschistisches Gedankengut«.
»Mich bewegt besonders, dass ich Käthe Künstler, geborene Maier, persönlich gut gekannt habe. In ihren Erzählungen hat sie mir dieses Haus, das sie selbst auch geleitet hat, immer sehr anschaulich und eindrucksvoll geschildert«, hatte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch in einem Grußwort betont, das Ellen Presser, Leiterin des IKG-Kulturzentrums, überbrachte.
Eine der Zeitzeuginnen, Bettina Cohn, kam 1936 mit 16 Jahren nach Wolfratshausen. »Man wusste schon lange, dass etwas Schlimmes kommen würde. Aber man hatte immer noch gehofft«, erinnert sie sich. »Mein Vater sagte immer: ›Die Deutschen sind ein Kulturvolk. Sie lassen sich den Hitler nicht so lange gefallen‹. Das hat er noch bis 1936 geglaubt.«
Die Ausstellung ist bis zum 26. Mai in der Grund- und Hauptschule in Wolfratshausen, Hammerschmiedweg 8, täglich von 9 bis 16 Uhr zu sehen.