Die deutsche Medienlandschaft hat über Jahre hinweg eine klare Deutungshoheit in der Darstellung des Nahostkonflikts etabliert. Besonders die Beiträge von ARD und ZDF haben maßgeblich beeinflusst, wie hierzulande über den jüdischen Staat gedacht und wie die Vorgänge in Israel bei uns wahrgenommen werden.
Die geopolitische Komplexität des Landes, die Bedrohungen durch islamistischen Terror sowie die zunehmende Radikalisierung im Gazastreifen und auch im Westjordanland bleiben in den Berichten weitgehend unberücksichtigt. Stattdessen wird Israels Regierung häufig als Auslöser von Gewalt und sogar als »Kriegstreiber« dargestellt.
Die Nachrichten über Israel und über den Gaza-Krieg sind zumindest bei ARD und ZDF von großer Einseitigkeit geprägt. Es geht nicht um eine absichtliche Verbreitung von Lügen. Das Hauptproblem ist vielmehr das Weglassen von Kontext, die selektive Darstellung von Ereignissen und die Auswahl wiederkehrender Themenfelder, die dank des häufigen Vorkommens in der Berichterstattung künstlich aufgebauscht werden.
Dies verhindert ein differenziertes Verständnis der Ereignisse in Israel. Es stärkt auch ein Narrativ, das zu einer einseitigen Wahrnehmung und in der Folge sogar zur Dämonisierung Israels führt.
Ich mache mir keine Gedanken um jene, die Israel schon vor dem 7. Oktober 2023 gehasst haben. Und auch nicht um die, die durch eine persönliche Verbindung zur Region die Geschehnisse dort einordnen können und sich nicht von »Berichterstattung« manipulieren lassen. Aber ich mache mir Sorgen um jene große Mehrheit in der Gesellschaft, die wenig Bezug zu Israel hat, die der Berichterstattung von ARD und ZDF quasi »blind« vertraut und die auch auf sie angewiesen ist, um Informationen zu bekommen.
Es sind gerade diese Menschen, die durch Berichte wie die der ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann in eine gedankliche Richtung gelenkt werden, welche mit der Realität kaum übereinstimmt, um es vorsichtig zu formulieren.
Als Kriegsreporterin aus der Region verfolgt von der Tann konsequent eine einseitige Linie: Fast jeder ihrer Berichte, fast jedes Interview, das sie führt, scheint darauf abzuzielen, Israel negativ darzustellen. Interviewt werden von ihr überwiegend jene, die am Rand des politischen Meinungsspektrums stehen – am äußersten linken oder am extrem rechten. Dass diese Stimmen existieren, bestreitet niemand. Es gibt sie. Doch sie repräsentieren nur einen kleinen Teil der israelischen Gesellschaft.
Während sich der Großteil der israelischen Bevölkerung nach Frieden sehnt, aber unter den permanenten Angriffen genozidaler Terrororganisationen wie der Hamas leidet, zeichnet von der Tann ein Bild von Israel als einem Land, das von radikalen Siedlern und rachsüchtigen Militärs dominiert wird.
Extreme Stimmen bevorzugt
Ein Paradebeispiel ist ihre kürzlich erschienene Reportage über die palästinensischen Gebiete im Westjordanland. Von der Tann stellt die Frage, wie Kinder, die unter Armut, Leid und den ständigen Aggressionen der israelischen Armee aufwachsen, ihre Kindheit leben können, ohne sich schon früh zu radikalisieren. Sie versäumt jedoch, den entscheidenden Faktor zu benennen, der zur Radikalisierung beiträgt: die Indoktrinierung, von Kindesbeinen an, durch Fanatiker wie die der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und auch die Fatah-geführte palästinensischen Autonomiebehörde von Mahmud Abbas, die für die Lehrinhalte an Schulen verantwortlich ist.
In von der Tanns Reportage kommen fast ausschließlich, wie sie es beschreibt, »radikale Siedler«, zu Wort. Die gibt es natürlich, aber sie sind ein vergleichsweise kleiner Teil der israelischen Bevölkerung. Die große Mehrheit des Landes tickt – auch in den Siedlungen – anders. Eine kleine Minderheit wird als Symbol für das große Ganze präsentiert. Das ist journalistisch unredlich.
Die verstärkte israelische Militärpräsenz im Westjordanland und die Einrichtung von Checkpoints nach dem 7. Oktober werden in der Reportage als Maßnahmen dargestellt, die die Armee aus reinem Machtinteresse durchführt. In Wirklichkeit ist Israels Präsenz in den Palästinensergebieten auch eine Reaktion auf die anhaltende Bedrohung durch Terrororganisationen, die dort weiterhin ungehindert von der palästinensischen Autonomiebehörde agieren können. Dass Letztere unwillig oder unfähig ist, durchzugreifen, wird unterschwellig auch Israel angekreidet.
Dasselbe gilt auch für den Norden Israels, der monatelang von der Hisbollah im Libanon unter Beschuss genommen wurde. Militärische Maßnahmen gegen diese Bedrohungen sind zwar nicht schön, aber sie sind nun einmal notwendig, um das Leben der eigenen Zivilbevölkerung zu schützen. Jedes westliche Land hätte nach einem Ereignis wie dem 7. Oktober 2023 ähnlich wie Israel reagiert, insbesondere dann, wenn es aus unmittelbar angrenzenden Gebieten angegriffen wird und wichtige Infrastruktur in Gefahr ist.
Eine Mehrheit der Israelis will die Kontrolle über das Westjordanland auch deshalb nicht aufgeben, weil sonst die Sicherheit des Landes noch mehr gefährdet wäre, als sie das jetzt schon ist. Sophie von der Tann ignoriert diesen Aspekt ganz und gar. Damit richtet sie Schaden an. Ihre Reportagen mögen professionell produziert sein, aber sie versäumen es, die Realität Israels und der Region auch nur ansatzweise abzubilden.
Mehrheitsmeinung kommt nicht vor
Das eigentliche Problem ist nicht die scheinbare Ausgewogenheit der Korrespondentin, sondern die Art und Weise, wie sie bestimmte Aspekte der Geschichte und der aktuellen Situation weglässt und so ein bestimmtes Narrativ befördert. Ihre Entscheidung, nur extreme Stimmen zu präsentieren, anstatt die Mehrheitsmeinung der israelischen Bevölkerung abzubilden, schürt Missverständnisse, Vorurteile und sogar Hass - auch gegen Juden in Deutschland, die den israelbezogenen Antisemitismus derzeit als größte Bedrohung für ein sicheres und freies Leben in diesem Land wahrnehmen.
Es ist nicht nur die Präsenz jüdischer Siedler oder das Vorgehen der israelischen Armee im Westjordanland, die den Frieden in der Region verhindern, wie Sophie von der Tann uns glauben macht. Nein, der eigentliche Grund für das ständige Scheitern des Friedensprozesses ist der islamistische Terror. Es ist die Weigerung vieler Palästinenser, überhaupt einen jüdischen Staat anzuerkennen, und ihr Festhalten an einer Ideologie des gewaltsamen Widerstands.
Solange der islamistische Terrorismus nicht als das Haupthindernis anerkannt und benannt und kein Verständnis für Israel und seine Sicherheitsbedürfnisse vermittelt wird, bleibt die Nahostberichterstattung einseitig und verzerrt.
Es bleibt zu hoffen, dass Sophie von der Tann und andere deutsche Journalisten ihre Verantwortung künftig ernster nehmen und sich bewusst werden, wie stark sie die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland beeinflussen.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Deutschland und Israel.