von Jacob Berkman
Amerikas jüdische Millionäre, Mäzene und Philanthropen spenden reichlich – nur eben nicht an jüdische Organisationen. Dies geht aus einer Studie hervor, die das in San Francisco ansässige »Institute for Jewish and Community Research« (IJCR) erhoben hat. Die Studie, die Anfang Januar veröffentlicht wurde, besagt, dass zwischen 2001 und 2003 zwölf Prozent aller Millionenspenden für wohltätige Zwecke von jüdischen Stiftern kamen. Doch nur neun Prozent dieser »jüdischen« Spenden gingen an jüdische Organisationen. Von den Spenden über zehn Millionen Dollar, die von jüdischen Gebern stammten, waren es sogar nur fünf Prozent. Die Erhebungen für die Jahre 2004 bis 2007 sind noch nicht abgeschlossen, aber es zeichnet sich eine gleichbleibende Tendenz ab.
Der Präsident des IJCR, Gary Tobin, betont, dass jüdische Spender keineswegs geiziger sind als ihre nichtjüdischen Millionärskollegen. Das Spendenaufkommen beider Gruppen unterscheide sich nicht. Vielmehr würben jüdische Organisationen nicht effizient genug um Spendengelder, meint Tobin: »Entweder starten sie nicht genügend Spendenaufrufe oder sie bringen keine überzeugenden Argumente vor, die potenzielle Geldgeber zum Spenden veranlassen.«
An diesem Befund ändert auch nichts, dass es etliche Großspenden für jüdische Einrichtungen gab. So stiftete der Düngemittelmagnat Ronald Stanton 100 Millionen Dollar für die Yeshiva University in New York; der Besitzer des Basketball-Teams Detroit Pistons, William Davidson, schenkte dem Hadassah-Hospital 75 Millionen; 100 Millionen des Raumfahrt-Unternehmers Alfred Mann gingen ans Technion-Institut im israelischen Haifa; und der Casinomogul Sheldon Adelson vermachte im vergangenen Jahr fast 60 Millionen Dollar der Organisation »birthright israel«.
Die IJCR-Studie fand auch heraus, dass Juden Beträge von über zehn Millionen Dollar vor allem für drei Bereiche spenden: Universitäten und Bildungseinrichtungen, Kunst und Kultur sowie das Gesundheitswesen. 15 Spenden über insge- samt 1,6 Milliarden Dollar kamen den Künsten zugute, darunter eine Milliarde von der Annenberg Foundation für das Metropolitan-Museum in New York. 32 Großspenden von ebenfalls insgesamt 1,6 Milliarden Dollar gingen an private, 16 Spenden über 649 Millionen Dollar an öffentliche Bildungsinstitutionen. Und 13 Spenden über 247 Millionen Dollar erhielten Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge.
Zum Vergleich: Im selben Zeitraum gab es nur elf Spenden jüdischer Philanthropen in Höhe von 269 Millionen Dollar für jüdische Belange. Möglicherweise noch eine großzügige Schätzung, so Tobin, da er und seine Mitarbeiter »jüdische Belange« recht weit ausgelegt hätten. So zählten sie etwa die 25 Millionen Dollar mit, die der Investor Michael Price 2002 dem Albert-Einstein-College für Medizin der Yeshiva University übergab. Das ist zwar eine jüdische Einrichtung, an der es koscheres Essen gibt und die an den jüdischen Feiertagen schließt, aber letztlich doch eine konventionelle medizinische Fakultät.
Keiner der Beträge über zehn Millionen Dollar von jüdischen Stiftern ging an jüdische Gemeinden, Verbände oder religiöse Gruppen. Bei Spenden zwischen einer und zehn Millionen Dollar schnitten jüdische Organisationen mit 19 Prozent schon besser ab.
Richard Marker, Professor am Zentrum für Philanthropie der New York University, warnt davor, die Befunde der IJCR-Studie in einen Vorwurf gegenüber jüdischen Stiftern oder Organisationen umzumünzen. Für viele amerikanische Juden, vor allem solche unter 45, bedeute es, laut Marker, keine Abkehr vom Jüdischsein, für nichtjüdische Einrichtungen zu spenden. »Jemand, der eine Universität finanziell unterstützt, die Jüdische Studien anbietet, leistet damit womöglich mehr für das jüdische Leben in Amerika, als wenn er sein Geld einer jüdischen Sonntagsschule gibt«, sagt Marker. »Wer Harvard, Cornell oder die UCLA unterstützt, kann mit Recht sagen: ›Was wollt ihr denn? An diesen Unis kann jeder sich koscher verpflegen und den Schabbat einhalten. Damit fördere ich sehr wohl ein Ideal jüdischen Lebens in einer offenen Gesellschaft.‹«
Was sollten jüdische Organisationen also tun? Für Marker ist klar: Wenn sie vom Spendenkuchen etwas abbekommen wollen, müssen sie ihre breite gesamtgesellschaftliche Relevanz unter Beweis stellen. Jemand, der bereit ist, zehn Millionen Dollar und mehr lockerzumachen, spende einfach nicht für partikulare Belange – sei er nun Jude oder nicht.