von Sabine Brandes
Ein kleiner Laden reiht sich an den nächsten. Heiser preisen die Verkäufer ihre Waren an. Musik-CDs für zehn Schekel, Obst, Gemüse, Taschen, Schuhe, Plastikgeschirr. Dazwischen Buden, die mit Humus und Falafel locken, dem typisch nahöstlichen Fastfood. Die Gegend um die ehemalige zentrale Busstation im Süden Tel Avivs ist bekannt für ihre Billigwaren, den guten Humus und – die Terroranschläge. Der letzte passierte am 17. April, als sich hier ein palästinensischer Teenager in die Luft sprengte, neun Menschen tötete und 60 verletzte, darunter viele schwer.
Anschlagziel war das Schnellrestaurant »Rosch Ha’ir«. Zum zweiten Mal. Bereits im Januar hatte hier ein Selbstmordattentäter einen Sprengsatz gezündet und 20 Israelis verletzt. »Damals hat uns ein Wunder vor Toten bewahrt«, sagte Restaurantbesitzer Pini Scharon nach der blutigen Tat im israelischen Kanal eins. Nach der ersten Bombe hatte Premier Ariel Scharon einen Zaun bauen lassen und einen Sicherheitsmann eingestellt. Der wollte die Tasche des Attentäters kontrollieren. Jetzt ist er tot. »Diesmal hat uns nichts und niemand geschützt.«
Fast immer herrscht Gedränge in diesem Viertel, vor allem vor und nach Feiertagen. An diesem Montag war es besonders voll, die Menschen nutzten die Pes- sachferien für einen Einkaufsbummel mit ihren Kindern. Noch immer ist hier viel los. Doch die Stimmung ist gedrückt. Die Schultern vieler Verkäufer hängen resigniert nach unten, die Marktschreier sind leiser geworden.
Wie viele Terroristen sich hier schon feige eingeschlichen haben, wisse er gar nicht mehr, sagt Motti Atar, Besitzer eines Gemüsestandes. Weggehen wolle er dennoch nicht. »Wohin auch? Hiervon lebe ich. Da kann man nicht einfach weglaufen.« Dann dreht er sich abrupt um, will nicht mehr reden. Zu grausig müssen die Bilder sein, die Atar gesehen hat. Wieder einmal. Abgerissene Körperteile, Verletzte, Tote, überall Blut und Zerstörung. Eine Mutter starb vor den Augen ihrer Kinder.
Vom Schild des Restaurants ist nichts mehr zu sehen, die Detonation hat es abgerissen. Es war eine starke Explosion. Vor die Fenster und Tür sind jetzt Spanplatten genagelt. Doch jeder, der hier vorbeigeht, weiß, was hinter den Platten geschehen ist. »Ob wir noch einmal öffnen werden? Keine Ahnung«, sagt Besitzer Scharon. Schon nach dem ersten Anschlag sei es unglaublich schwer gewesen, in den Alltag zurückzukehren. »Dieses Mal weiß ich nicht, ob es überhaupt noch möglich ist.«
Auch für Lucie Tida. Die Frau aus Thailand arbeitet nur zwei Ecken entfernt als private Pflegerin für einen älteren Mann. An diesem Tag hatte sie frei und wollte einkaufen gehen. »Gerade als ich um die Ecke bog, hörte ich einen wahnsinnigen Knall. Dann fühlte ich, das irgend etwas durch die Luft fliegt. Ich bin einfach nur noch gerannt.« Kurz darauf jedoch wollte sie sehen, ob sie helfen kann, denn in ihrer Heimat war sie Krankenschwester. Tida kehrte zurück an den Ort des schrecklichen Geschehens. »Es war so unglaublich furchtbar«, sagt sie. »Ich weiß, daß ich diesen Anblick niemals mehr vergessen werde. Jede Nacht wache ich auf und höre noch das Weinen der Menschen.«