Es war eine schreckliche Nacht. Stundenlang hatten die israelischen Soldaten mit ansehen und -hören müssen, wie verzweifelte Menschen versuchten im Schutz der Dunkelheit die Grenze zu erreichen. Immer wieder Schreie und Schüsse. Letztendlich erreichten die Sudanesen israelischen Bo-
den, zumindest auf den ersten Blick körperlich unversehrt.
Nicht immer enden die Versuche, die sichere Seite zu erreichen, so glimpflich. Seit dem Beginn der Flüchtlingswelle im Sommer 2006 sind mindestens 33 Menschen von den Grenzsoldaten auf ägyptischer Seite erschossen oder totgeschlagen worden, geben Hilfsorganisationen an. Die Dunkelziffer liegt zehnmal so hoch.
Derzeit leben etwa 13.000 Menschen, hauptsächlich aus Eritrea, dem Sudan und Kongo in Israel, darunter mehr als 1.000 Kinder. Ihre wirtschaftliche Lage ist er-
bärmlich, die rechtliche gänzlich unübersichtlich. Nur etwa 170 erhielten einen permanenten Flüchtlingsstatus, wenige andere werden geduldet, manche haben eine vorübergehende Arbeitserlaubnis, die meisten indes haben keine Papiere und können jederzeit festgenommen werden. Hilfe leis-ten fast ausschließlich private Organisationen, allen voran die Fremdarbeiter-Hotline mit Sitz in Tel Aviv. Die Regierung Israels hält sich weitestgehend aus der Versorgung heraus.
Bis zum Sommer dieses Jahres stieg die Zahl der Flüchtlinge stetig, in manchen Nächten kamen mehr als hundert Menschen an, schwer für den kleinen Staat Israel zu bewältigen. Im August dieses Jahres beschloss die Knesset daraufhin die sofortige Abschiebung, die sogenannte »heiße Rückkehr« der Menschen nach Ägypten. So geschah es auch den oben genannten jungen Männern. Die israelischen Soldaten bekamen die Order, ihnen Handschellen und Augenbinden anzulegen und sie ohne Fragen zu stellen wieder über die Grenze zu schicken.
Soldat B. schrieb daraufhin an Verteidigungsminister Ehud Barak: »Ich weiß nicht genau, was das israelische oder internationale Recht dazu sagt, aber ich mache mir Sorgen, dass das, was wir getan haben, schrecklich falsch war. Ich weiß auch nicht genau, was in Eritrea oder im Sudan geschieht, aber ich muss kein Genie sein, um zu wissen, wenn jemand all diese Schwierigkeiten auf sich nimmt, dass dort, wo er herkommt, etwas sehr schlimm ist.«
Der Oberste Gerichtshof Israels verlangt von der Regierung, die Flüchtlinge vor der Abschiebung zu fragen, woher sie kommen und was sie in den Ländern zu befürchten haben. »Doch«, so berichten entsetzte Soldaten, die ihren Dienst an der Grenze zwischen den beiden Ländern tun, »niemand fragt diese Menschen etwas. Es ist so, als wollten wir sie ganz schnell unter einen dicken Teppich kehren.« Sabine Brandes
Afrika-Flüchtlinge