von Wladimir Struminski
Am Montagabend schien der Glanz vergangener Zeiten in Jerusalem auf. Im Beisein von mehr als zweitausend Delegierten und Beobachtern wurde in der is- raelischen Hauptstadt der 35. Zionistische Kongreß eröffnet. Die Teilnehmer des alle vier Jahre stattfindenden Großereignisses wurden vom israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav begrüßt. Israelische Musik sorgte für künstlerische Untermalung, und von der Wand blickte, überlebensgroß, Theodor Herzl herab. Für den weiteren Programmverlauf standen Prominente wie Ministerpräsident Ehud Olmert, Oppositionsführer Benjamin Netanjahu, Erziehungsministerin Juli Tamir und ein Mitglied des Generalstabes der Streitkräfte, Generalmajor Elasar Stern, bereit.
Auch Glanz und Gala können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die zionistische Bewegung im Jahr 2006 um ihre Rolle in der jüdischen Welt wie in der israelischen Gesellschaft ringen muß. Darauf deutet bereits das in ehrlicher Offenheit gewählte Leitthema des Kongresses hin: »Die Zionistische Bewegung – Erneuerung und Revitalisierung«. Das sind Themen, über die sich stärkere und dynamischere Einrichtungen des politischen Lebens für gewöhnlich keine Gedanken machen müssen. Es müsse noch viel getan werden, räumten die Veranstalter denn auch ein, damit die Zionistische Weltbewegung (WZO) »neuerfunden« werden könne und relevanter werde, als sie es heute ist. Einer der Wege zum Ziel, so der Vorsitzende der WZO und der Jewish Agency, Seew Bielski, sei größere Offenheit und eine Stärkung der Partnerschaft zwischen allen Strömungen des jüdischen Volkes. Verfechter dieser Idee setzen sich für eine stärkere Einbeziehung der jüdischen Gemeinden in der Diaspora in die Arbeit der zionistischen Bewegung ein.
Allerdings sind die Sorgen der WZO nicht nur ideologischer Natur. Der altehrwürdigen Organisation mangelt es auch an Geld. Der Etat, klagt die WZO-Spitze, sei in den letzten Jahren »dramatisch geschrumpft«. Die Folge: Man habe nicht genug Haushaltsmittel, um die laufende Arbeit angemessen zu finanzieren.
Unter diesen Umständen wurden die Delegierten des bis Donnerstag laufenden Kongresses aufgerufen, nach neuen Wegen für eine stabile Finanzierung zu suchen. Im Tagungsprogramm taucht sogar das Wort »Fundraising« auf, das für große gemeinnützige Organisationen längst zum Standardvokabular gehört. Das Problem für die WZO: Sollte sie bei jüdischen Philanthropieeinrichtungen anklopfen, müßte sie sich in der jüdischen Realität des beginnenden 21. Jahrhunderts gegen harte Konkurrenz durchsetzen. Ob Armenunterstützung in Israel, Betreuung von Juden in Osteuropa oder aber die Bedürfnisse eigener Gemeinden – die mildtätigen Geldgeber sehen sich vielen Hilferufen gegenüber. Wie unter diesen Umständen die von der WZO angestrebte größere Effektivität und Unabhängigkeit erreicht werden kann, ist ein bestimmendes Thema des Kongresses.