von Benjamin Hammer
Benzion Wieber ist ein sehr besonnener Mann. Als Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln muss er auch diplomatisch sein. Beim Thema Neuwahlen jedoch kann Wieber seinen Ärger nur schwer verbergen: »Völlig unnötig« sei die erneute Wahl zur Gemeindevertretung am 22. Mai, und zu teuer, die Kosten lägen im fünfstelligen Bereich. Knapp 4.000 Kölner Gemeindemitglieder sind am Donnerstag zur Wahl einer neuen Repräsentanz aufgefordert. Um 15 Posten bewerben sich 19 Kandidaten. Eigentlich hätten die Gemeindemitglieder erst Ende 2009 wieder zur Wahlurne gehen müssen. Doch das Schiedsgericht des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte im Januar Neuwahlen angeordnet. Damit hatte das Gericht dem Einspruch des Gemeindemitglieds Alex Shnaider stattgegeben, der die letzte Wahl vom Jahr 2006 angefochten hatte.
Alex Shnaider war bei den Wahlen vor zwei Jahren vom Wahlausschuss von der Kandidatur ausgeschlossen worden, weil er sich laut Rabbinatsgericht (Beit Din) mehrere Male geweigert hatte, zu einer Gerichtsverhandlung zu erscheinen. Dort sollte es um einen Konflikt zwischen Shnaider und Benzion Wieber gehen, der jedoch nie öffentlich gemacht wurde. Ebenfalls angefochten wurde die Wahl von den Gemeindemitgliedern Anatoli Kreyman und Alexander Zolotarev, die sich im Wahlkampf 2006 unfair behandelt fühlten.
Pikant: Weder Shnaider noch Kreyman oder Zolotarev treten jetzt zu den Neuwahlen an. Manch einer in der Gemeinde fragt sich also, warum die Männer überhaupt Einspruch eingelegt haben. Kreyman begründet seine Abstinenz damit, dass in seiner Sache kein Urteil gesprochen wurde, er könne also nicht glaubwürdig erneut antreten. Shnaider sagte der Jüdischen Allgemeinen, die Gemeindewahlen 2006 seien »ungültig« gewesen und aus dem gleichen Grund seien die aktuellen Wahlen »weder legitim noch rechtens«. Mehr wollte er zu dem Thema nicht sagen.
Die Kölner Gemeinde, die seit März ohne Rabbiner dasteht, hat wohl schon entspanntere Zeiten erlebt als momentan. Nach den Neuwahlen soll nun erst einmal Ruhe einkehren. Doch auch ohne Shnaider, Kreyman oder Zolotarev war der Wahlkampf lebhaft. So entschloss sich Miguel Freund im März zur Kandidatur, weil, so seine Begründung zum spontanen Entschluss, der Vorstand den Gemeindemitgliedern die wahren Gründe über den Weggang des Rabbiners Netanel Teitelbaum verschwiegen habe. Er sagt auch: »Wir haben eine Gemeindeführung, die sich nicht genügend darum kümmert, was die Mitglieder überhaupt wollen.«
Der Vorstand selbst rechnet mit seiner Wiederwahl. »Die Neuwahl ist unnötig«, sagt auch Ebi Lehrer. Das Vorstandsmitglied tritt mit 12 anderen Kandidaten auf einer gemeinsamen Liste an, der sowohl Alteingesessene als auch Zuwanderer angehören. Nach den Wahlen werde die Gemeinde ihren »erfolgreich eingeschlagenen Weg der Zusammenführung von Zuwanderern und Alteingesessenen fortsetzen«. Anatoli Kreyman und seine Mitstreiter denken unterdessen offen darüber nach, die Gemeinde zu verlassen. »Wir bedauern das sehr«, sagt dazu Ebi Lehrer. Nach der Wahl wolle man »gegebenenfalls versuchen, mit dieser Gruppe wieder ins Gespräch zu kommen«.