Walter Rothschild hatte den kürzesten Weg zur Einweihung der neuen sefardischen Synagoge in der Passauer Straße 4 in Schöneberg. Denn der Rabbiner wohnt im gleichen Haus. Er mußte nur zwei Treppen hinaufsteigen, um zur neuen Betstube zu gelangen. Wie allen anderen Gästen bot sich ihm dort am vergangenen Donnerstagabend ein Bild der Vielfalt: Neben Rothschild waren noch acht weitere Rabbiner gekommen – orthodoxe, konservative, liberale, reformierte. Mit ihnen waren auch Vertreter anderer Berliner Synagogen – unter anderem vom Fraenkelufer, der Joachimstaler-, Pestalozzi- und der Oranienburger Straße – der Einladung gefolgt. Alle saßen einträchtig beisammen – Alteingesessene und Zuwanderer. Angesichts dieser in Berlin eher seltenen Harmonie sagte Gemeindechef Gideon Joffe: »Die sefardische Synagoge unterstreicht, daß unter dem Dach der Einheitsgemeinde für die vielen Richtungen des Judentums genügend Platz ist.« Joffe verwies darauf, daß diese Betstube bereits die achte Synagoge der Gemeinde ist, und dies ein »Aushängeschild nicht nur für die Gemeinde sondern auch für die Stadt Berlin« sei.
Der Gemeindeälteste Isaak Behar – neben dem Kaufmann Maurice Elmaleh und dem Kultusbevollmächtigtem der Gemeinde, Maw Haymov, einer der Initiatoren der neuen Synagoge »Tiferet Israel« – hatte 1936 im damaligen sefardischen Gotteshaus in der Lützowstraße seine Barmizwa gefeiert. Er sprach von einer alten Tradition, an die mit der Eröffnung angeknüpft werde: »Wir fügen mit dieser sefardischen Synagoge ein wertvolles Mosaik, eine vermißte Facette, dem Spektrum der Einheitsgemeinde hinzu.« Die etwa 2.000 Sefarden in Berlin hätten jetzt endlich eine eigene Gebetsstätte, sagte Maw Haymow: »Dankbar und mit Demut nehmen wir dieses Haus in Besitz.«
Nachdem alle Reden gehalten, die Mesusot an den Türrahmen angebracht und alle Segenssprüche gesagt waren, rief Reuven Yaacubow, der Rabbiner der neuen Synagoge, gleich zum Gebet. »Als ich vor fünf Jahren nach Berlin kam, hatten wir noch nicht einmal einen Minjan zusammen. Jetzt sind es schon rund 70 ständige Beter, die nun täglich in die Passauer Straße kommen werden«, sagte er stolz.
Nachbar Rabbiner Walter Rothschild freut es. »Ich stehe für Pluralität. Es ist wichtig, wirklich etwas mehr Vielfalt in dieser Gemeinde zu haben.« Und schmunzelnd fügte er hinzu: »Ich finde es toll, eine Synagoge im Haus zu haben, auch wenn die Beter vielleicht mal etwas lauter sein werden.« Detlef David Kauschke
Tradition