Charlotte Knobloch

Neue Spitze

von Tobias Kaufmann

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat eine neue Führung. Mit der Münchnerin Charlotte Knobloch wurde am Mittwoch erstmals eine Frau an die Spitze des Verbandes gewählt – einstimmig, wie es hieß. Der neuen Präsidentin stehen mit Salomon Korn und Dieter Graumann (beide aus Frankfurt am Main) ein alter und ein neuer Vize zur Seite. »Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit im Präsidium«, sagte Knobloch nach der Wahl im Kongreß-Zentrum des Frankfurter Flughafens. Sie betonte, »daß der Zentralrat mehr ist als seine Präsidentin«. Auf die Unterstützung ihrer Stellvertreter wird Knobloch auch angewiesen sein, weil sie ihre Ämter als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie als Vizepräsidentin des Europäisch-Jüdischen Kongresses weiter ausüben will. »Ich hoffe, daß Gott mir die Kraft und die Gesundheit für die neue Aufgabe gibt.«
Als wichtigste Aufgabe des Zentralrats nannte Knobloch die Integration der jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion – sowohl in die Gemeinden als auch in die deutsche Gesellschaft. »Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, ihre absolut vorhandenen Fähigkeiten einzubringen«, sagte die 73jährige. Zudem wolle sie dafür arbeiten, daß die in Deutschland lebenden Juden so wie sie selbst sagen können: »Ich habe die Koffer ausgepackt.« Der Zentralrat müsse deshalb auch den Patriotismus-Begriff definieren und besetzen. Als dritten Schwerpunkt nannte Knobloch den Dialog mit Christen und Muslimen.
Korn, der nicht für das Präsidentenamt kandidiert hatte, versprach, die Team-
arbeit an der Spitze des Zentralrats fortzuführen, die Knoblochs Vorgänger Paul Spiegel sel. A. eingeführt hatte. »Es hat sich bewährt, daß der Zentralrat auch unabhängig von seiner jeweiligen Führung weiterarbeiten kann.« Knobloch sei »die Erste unter Gleichen«. Der neugewählte Vizepräsident Graumann betonte die Rolle des Zentralrats als Stimme aller Juden in Deutschland und die Pflicht, die positiven Werte und die spirituelle Kraft des Judentums wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Dennoch bleibe die Erinnerung an die Katastrophen des jüdischen Volkes eine immerwährende Aufgabe des Zentralrats. »Es ist uns wohl ein letztes Mal gelungen, mit Frau Knobloch eine Vertreterin jener Generation für dieses Amt zu gewinnen, die die Schrecken der Schoa noch selbst erlebt hat.« Künftige Aufgabe der zweiten und dritten Generation sei es, die Erinnerung wachzuhalten, auch emotional.
Charlotte Knobloch kündigte an, sich bald mit Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen zu wollen. Vor allem den Umgang mit dem Iran wolle sie dabei ansprechen und eine klare Haltung einfordern. Sollte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Fußball-WM besuchen, werde sich der Zentralrat an Protesten gegen den Besuch beteiligen.
Charlotte Knoblochs Wahl an die Spitze des Zentralrats wurde durchgehend positiv bewertet. Bundespräsident Horst Köhler wünschte ihr viel Kraft für das neue Amt: »Sie übernehmen eine in unserem Land schwierige und zugleich besonders wichtige Aufgabe. Dafür bin ich Ihnen dankbar.« Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte der neuen Präsidentin und bot ihr eine weiterhin gute Zusammenarbeit an. In einem Schreiben von SPD-Chef Kurt Beck an Knobloch hieß es, der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus, Rechtsradikalismus und fremdenfeindliche Gewalt müsse Aufgabe aller Demokraten sein. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, seine Partei wolle das Bemühen des Zentralrats um Toleranz im Inneren und Völkerverständigung weltweit unterstützen. Auch die Bundesvorsitzenden der Grünen, Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, sicherten ihre Hilfe zu. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte: »Charlotte Knobloch hat sich in großartiger Weise für eine Kultur des Respekts und des Dialogs in unserem Land eingesetzt.« Glückwünsche kamen auch vom Jüdischen Weltkongreß. Vizepräsident Maram Stern hob hervor, daß sich Knobloch mit Engagement, Intelligenz, Weitsicht und Herzensgüte in ihrer bisherigen Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene hohe Anerkennung und Beliebtheit erworben habe. Rabbiner Walter Homolka von der Weltunion Progressiver Juden sagte: »Sie wird den Zentralrat versiert anführen.« Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, gratulierten Knobloch zu ihrer Wahl.

(Weiteres Seite 2)

München

Mann soll Plagiat wegen Obduktion seiner toten Mutter inszeniert haben

War es ein irrer Racheplan? Ein Mann soll mit der Fälschung eines Buches einem Rechtsmediziner geschadet haben. Seine Verteidigung fordert Freispruch – und auch er selbst äußert sich sehr ausführlich.

 07.03.2025

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025

Bundestagswahl

Orban gratuliert Weidel - und nicht Merz  

Ungarns Regierungschef hat AfD-Chefin Weidel kürzlich wie einen Staatsgast empfangen. Sie ist auch diejenige, an die er nach der Wahl in Deutschland seine Glückwünsche richtet

 24.02.2025

Berlin

Jens Spahn: Gespräche über Koalition können sehr schnell beginnen

CDU-Chef und Wahlsieger Merz will bis Ostern eine neue Regierung bilden. Bereits diese Woche soll es erste Gespräche geben

 24.02.2025

Berlin

Baerbock über Bibas-Familie: »Ihr Schmerz ist kaum zu ertragen«

Die Außenministerin kritisierte auch die Hamas dafür, die lebenden Geiseln vorzuführen

 22.02.2025