Nein vor dem Referendum
Israel lehnt den
palästinensischen
Gefangenenplan ab
Endlich! Es ist eine Formel gefunden worden, die den Palästinensern einen Friedensschluß mit Israel möglich macht. Damit das wahr werden kann, sollen die palästinensischen Wähler die anvisierte Lösung in einem Referendum absegnen. Eine Mehrheit ist dem Plan so gut wie sicher. Danach können palästinensische und israelische Unterhändler die Köpfe zusammenstecken und einen Friedensvertrag aushandeln. So ungefähr sieht das optimistische Szenario aus, das der Vorsitzende der Palästinensischen Nationalbehörde, Machmud Abbas, dieser Tage voranzutreiben versucht.
Kernstück ist ein von Abbas übernommenes Dokument, das seit einigen Wochen das politische Geschehen in den Autonomiegebieten beherrscht. Dabei han-
delt es sich um eine von ranghohen palästinensischen Sicherheitshäftlingen in einem israelischen Gefängnis – ohne Israels Zutun – formulierte Plattform. Zu den Un-
terzeichnern gehören neben Abbas’ Parteifreund Marwan Barghuti von der Fatah auch Vertreter der Hamas, des Islamischen Dschihad und zwei weiterer Organisationen. Sie fordern die Errichtung eines palästinensischen Staates in den 1967 von Israel besetzten Gebieten. Eine ausdrückliche Anerkennung Israels ist zwar nicht vorgesehen, doch soll die Staatsgründung in »arabische und internationale Legitimität« eingebunden werden. Damit sind allem Anschein nach arabische und internationale Beschlüsse gemeint, die den jüdischen Staat anerkennen. Genau deshalb sträuben sich die Hamas und der Islamische Dschihad gegen das Programm, auch wenn es von ihren einsitzenden Genossen unterschrieben wurde. Von der ablehnenden Haltung der Islamisten läßt sich Abbas jedoch nicht entmutigen. Vor knapp zwei Wochen hatte er der Hamas eine Frist zur Annahme des Gefangenenplans gesetzt. In der Nacht zum Dienstag verstrich das Ultimatum ergebnislos, wurde aber von Abbas bis zum Wochenende verlängert. Für den Fall, daß die Hamas bei ihrer Weigerung bleibt, kündigte der PNA-Vorsitzende ein Referendum über das Programm an. Mit dem Direktmandat des Wahlvolkes ausgestattet – Beobachter gehen von einer Mehrheit der Ja-Stimmen aus – will Abbas mit Israel verhandeln. Da ist es kein Wunder, wenn die Hamas gegen die geplante Volksbefragung Sturm läuft.
In Jerusalem stößt der Gefangenenplan auf Ablehnung. Dabei ist die ausbleibende Anerkennung Israels nicht der einzige Grund. Vielmehr fordert das Dokument auch das Recht palästinensischer Flüchtlinge von 1948 und ihrer Nachfahren, nach Israel zurückzukehren, – aus israelischer Sicht die demographische Demontage des jüdischen Staates. Zudem befür-worten die Häftlinge eine Fortsetzung des antiisraelischen Terrorismus in den besetzten Gebieten. So erklärte Ministerpräsident Ehud Olmert: »Das Dokument ist unannehmbar.« Ist die Initiative also ein Rohrkrepierer? Nicht alle Israelis sind dieser Meinung. Nach Auffassung von Ami Ajalon, Ex-Chef des Inlandssicherheitsdienstes Schabak und neugewähltem Knessetmitglied der Arbeitspartei, könnte die Initiative bereits in zwei Monaten zur Bildung einer palästinensischen Koalition aus Fatah und Hamas führen, die sich zu Verhandlungen mit Israel bereit zeigt. »Dann«, prophezeit Ajalon, »kann Israel die Welt nicht ohne weiteres davon überzeugen, daß es keinen palästinensischen Gesprächspartner gibt.« Wladimir Struminski