von Sue Fishkoff
San Franciscos Mission-Minjan ist wahrscheinlich die einzige Gebetsgemeinschaft, die heute die »Trichitza«-Sitzordnung praktiziert: Ab und zu taucht sie auch bei anderen temporären Gemeinschaften auf, einschließlich den College-Hillels und Som- merseminaren in Israel. Vor dem Zweiten Weltkrieg war sie in amerikanischen Synagogen nichts Ungewöhnliches. Als sich der Mission-Minjan vor knapp drei Jahren gründete, wurde eine dreiteilige Sitzordnung festgelegt – seitlich jeweils eine Männer- und eine Frauenabteilung und eine gemischte Sektion in der Mitte –, sodaß alle Gemeindemitglieder im selben Raum beten konnten. Es handelte sich um einen praktischen Kompromiß.
Die Gründer des Minjans hatten die Idee von »Jews in the Woods«, einer Online-Gemeinde junger jüdischer Aktivisten, die fünfmal im Jahr einen Massen-Schabbaton auf das Land organisieren, übernommen. »Bei uns kommen Menschen mit orthodoxem, reform-, erneuerungs- und humanistischem Hintergrund an einem Ort zum Beten zusammen«, sagt Zachary Teutsch, einer der Koordinatoren der »Jews in the Woods«-Treffen. »Aufgrund dieser Vielfalt mußten wir eine kreative Lösung finden. Wir wußten nicht, daß es das auch schon in den zwanziger Jahren gegeben hat.« Tatsächlich war die Trichitza-Sitzordnung zwischen den Weltkriegen in orthodoxen und konservativen Gemeinden »ganz üblich«, sagt Jeffrey Gurock, Professor für amerikanisch-jüdische Geschichte an der Yeshiva Uni- versity. »Die zwanziger-, dreißiger- und vierziger Jahre waren eine Zeit der fließenden Übergänge. Eine Zeit, in der die Grenzen zwischen den Bewegungen längst nicht so starr waren wie heute. Es gab alle Varianten, die man sich vorstellen könnte«, sagt er. »Bei bestimmten Gottesdiensten galt die Mechitza und bei anderen nicht.«
Einige Gemeinden handhabten sie während des Jahres, aber nicht an den Hohen Feiertagen. »Je weiter man sich von New York entfernte, sagt Gurock, desto mehr wurde experimentiert. Er schildert eine Gemeinde in Tulsa, Oklahoma, bei der die eine Seite für Männer reserviert war. Auf der anderen Seite saßen Frauen und Männer gemischt, eine Mechitza trennte die beiden Abteilungen.
Die Chicagoer Rabbinerin Ellen Dreyfus kann sich an eine Trichitza erinnern, die sie 1974 in einer orthodoxen Synagoge in Peoria, Illinois, erlebte. Und Gilah Langner aus Washington beschreibt, wie ein orthodoxer Minjan der Gemeinde Adas Israel, eine dreigeteilte Sitzordnung anwandte. 1990, als die Gemeinde die Gleichberechtigung einführte und sich der größeren Gemeinde anschloß, wurde diese Praxis aufgegeben. Nichts Vergleichbares finde heutzutage in den orthodoxen Synagogen statt, sagt Rabbiner Basil Herring, Vizepräsident der Rabbinischen Vereinigung Amerikas. »Viele Dinge wurden damals praktiziert, weil die Vertreter bestimmter Organisationen das Gefühl hatten, es sei besser als gar nichts«,sagt er. »Das heißt aber nicht, daß es sich tatsächlich um ein entwicklungsfähiges Vorläufermodell handelte.«
Die unabhängigen Minjans wenden das System bewußt an – als Teil ihres Strebens nach Pluralismus, sagt Ben Dreyfus, Mitbegründer des Kol-Zimrah-Minjan in New York. »Interessant ist, daß die Frage, wer wo sitzt, getrennt von der Frage betrachtet wird, wer aus der Tora liest«, sagt Dreyfus, »Man kann diese Fragen aber aufeinander abstimmen.«