von Tobias Kühn
Reisen wollen vorbereitet sein. Kommende Woche tritt der Papst seinen ersten offiziellen Besuch in den USA an. Dabei möchte er – auf eigenen Wunsch, wie im Vatikan zu hören ist – auch mit jüdischen Vertretern zusammentreffen und in New York eine Synagoge besuchen. Weil das jüdisch-katholische Verhältnis aber durch die umstrittene Neufassung der Karfreitagsfürbitte stark belastet ist, hat Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der »Außenmminister« des Vatikans, vergangenen Freitag eine offizielle Erklärung abgegeben. Darin versichert der Vatikan den Juden seine »brüderliche Haltung« sowie Respekt und Hochachtung. Der seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschrittene Weg der Aussöhnung und Zusammenarbeit werde nicht in Frage gestellt, heißt es. Der Heilige Stuhl weise jede Art von Antisemitismus streng zurück.
Zahlreiche jüdische Organisationen haben in den vergangenen Wochen gegen eine Passage der von Benedikt geänderten Fürbitte nach dem Tridentinischen Ritus protestiert, denn dort steht: »Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.« Kritiker lesen darin die Aufforderung, Juden zu missionieren.
Ob diese Sorgen möglicherweise unbegründet sind, bleibt allerdings auch nach dem jüngsten vatikanischen Kommuniqué offen. »Die Erklärung ist freundlich formuliert, aber theologisch klärt sie nichts«, sagt der Kölner Publizist Günther Bernd Ginzel, der sich seit Jahren aktiv am jüdisch-christlichen Gespräch beteiligt. »Wenn es der Papst fertigbringt zu sagen, dass Juden ihren eigenen Heilsweg haben, dann wäre die Kontroverse beigelegt«, so Ginzel. »Aber das aktuelle Schreiben macht deutlich, dass er genau diesen Weg nicht beschreitet.«
Auch der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, der in der Vergangenheit gelegentlich im Arbeitskreis »Juden und Christen« beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken mitwirkte, hält wenig von der päpstlichen Erklärung: »Sie ist ein Zeichen des guten Willens.« Aber gerade dies mache »die totale Schizophrenie« der katholischen Kirche deutlich, so Brumlik, denn das Schreiben hebe die Formulierung der neuen Karfreitagsfürbitte ja nicht auf. Wegen des umstrittenen Gebets hatte Brumlik vor einigen Wochen eine Einladung zum Katholikentag im Mai ausgeschlagen. Dazu sagte er am Dienstag: »Es bleibt dabei.«
Nicht nur bei Juden, sondern auch bei einigen Katholiken stößt die jüngste Erklärung des Vatikans auf Kritik. »Der Papst weicht aus, er meidet all die heißen Punkte, die diskutiert worden sind«, sagt Hanspeter Heinz, Pastoraltheologe und katholischer Vorsitzender des Gesprächskreises »Juden und Christen« beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Heinz bemängelt, die Erklärung beantworte die Frage nicht, ob die Liebe der Christen darauf abziele, die Juden zu Jesus zu führen. »Auch nennt der Papst in seinem Schreiben keinen Grund, warum er mit der nachkonziliaren Karfreitagsfürbitte für die Juden offenbar derart unzufrieden ist, dass er eine neue, dritte Version geschaffen hat.« Weil diese Fragen offen bleiben, fördere das päpstliche Schreiben denn auch das Misstrauen auf jüdischer Seite, so Heinz. Er gibt zu bedenken, dass evangelikale Gruppen, die sich ohnehin die Judenmission auf ihre Fahnen geschrieben haben, durch die neue Karfreitagsfürbitte bestärkt werden. »Sie freuen sich über Schützenhilfe vom Papst.«
Zufrieden mit der Erklärung äußerte sich hingegen Pater Norbert Hofmann, Sekretär der vatikanischen Kommission für den religiösen Dialog mit dem Judentum. »Es ist natürlich klar, dass mehr erwartet wurde, aber ich denke, die Basisinformation ist gegeben, dass diese Karfreitagsfürbitte kein Stolperstein im christlich-jüdischen Verhältnis sein soll.« Das Wichtigste sei in der Erklärung enthalten, findet Hofmann. Er hält es für eine »Fehleinschätzung«, in dem Gebet die Aufforderung der katholischen Kirche zur Judenmission zu sehen. Dennoch: »Aus unserer Sicht kommen alle Menschen, nicht nur die Juden, zum Heil durch Jesus Christus. Das ist das Herz unserer Theologie. Ansonsten könnten wir unseren Laden ja dicht machen.«