Julius-Hirsch-Preis

Nazis raus!

von Lukas Hermsmeier

Zunächst sind vereinzelte Pfiffe zu hören. Doch es braucht nur wenige Minuten, bis fast alle Zuschauer mitziehen. »Nazis raus«, ruft das Publikum im Bochumer Stadion, als eine Gruppe Rechtsradikaler von der Polizei abgeführt wird. Es sind Mitglieder der polizeibekannten Organisation »Nordsturm Hansestadt Bremen«, die während des Bundesligaspiels VfL Bochum gegen Werder Bremen ein Transparent mit der eindeutigen Aufschrift »NS« und einem Totenkopf ausgerollt hatten. Bemerkenswert ist, dass es die Bremer Fans gewesen sind, die von sich aus die Polizei auf die Naziaktion aufmerksam machten.
Das ist jetzt gerade mal zwei Wochen her und hat wieder einmal gezeigt, wie präsent der Rechtsradikalismus im Sport immer noch ist. Und die Bremer Fans haben mit ihrem Verhalten gezeigt, wie darauf zu reagieren ist.
Das Bremer Antidiskriminierungsprogramm ist erfolgreich. Das ist auch dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht entgangen. Denn der Julius-Hirsch-Preis geht in diesem Jahr auch in die Hansestadt. Seit Jahren engagiert sich der Bundesligaklub in Zusammenarbeit mit den Fans gegen Diskriminierung, Rassismus und Gewalt. Projekte wie »100 Schulen – 100 Vereine« haben dazu geführt, dass auch Kinder und Jugendliche in das Programm eingebunden werden.
Klaus-Dieter Fischer, Geschäftsführer des SV Werder, ist als einer der Projektleiter besonders stolz über den dritten Platz. »Dieser Preis ist eine Bestätigung für unsere Arbeit und motiviert uns, diese fortzusetzen«, sagt Fischer. Bei der Preisverleihung am 19. November, kurz vor dem Länderspiel Deutschland gegen England, nahm er den Preis stellvertretend für alle Mitwirkenden im Jüdischen Museum Berlin entgegen. »Wohin die 4.000 Euro fließen, wissen wir noch nicht«, sagt Bremens Mediendirektor Tino Polster. »Sicher ist aber, dass unser Engagement gegen Diskriminierung und Gewalt weitergeht.«
Doch nicht nur die Bremer hatten am Mittwoch Grund zum Feiern. Die prominent besetzte Jury um den ehemaligen Innenminister Otto Schily erkannte in diesem Jahr den Preis erstmals gleich drei Bewerbern zu.
Die Faninitiative »Bunte Kurve« aus Leipzig wurde mit dem zweiten Platz und 6.000 Euro Preisgeld belohnt. »Kurven«-Mitbegründer Christopher Zenker sagt: »Es ist eine große Ehre, diesen Preis nach Leipzig zu holen.« Bereits seit 2001 beteiligen sich der FC Sachsen Leipzig und verschiedene Fangruppierungen an den jährlichen FARE-Aktionswochen. FARE ist die Abkürzung eines europäischen Zusammenschlusses: Football Against Racism in Europa. Anlass für die Gründung der »Bunten Kurve« vor gut einem Jahr waren rassistische Anfeindungen gegenüber Adebowale Ogungbure, einem Afrikaner, der damals beim FC Sachsen Leipzig unter Vertrag war.
Ein ähnlich negatives Erlebnis veranlasste auch Jo Ecker zur Gründung der Initiative »Fußballvereine gegen Rechts«. In Reaktion auf fremdenfeindliche Übergriffe auf einen Spieler seiner D-Jugend-Mannschaft im Jahr 2001 machte es sich Ecker zur Aufgabe, Gewalt und Rassismus von den Sportplätzen zu verbannen. Diese Initiative wurde vom DFB mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Jo Ecker darf sich über ein Preisgeld von 10.000 Euro freuen. »Das Geld wird zu 100 Prozent in die Initiative fließen«, sagt Ecker.
Sein aktuelles Projekt ist die Aktion »Schild gegen Rassismus und Gewalt«. Seit Anfang September bringt Ecker Vereine dazu, Schilder mit der Aufschrift »Kein Platz für Rassismus« auf den Sportplätzen im Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen anzubringen. Es sind mittlerweile fast 40, und es werden täglich mehr. »Der Preis ist eine hohe Anerkennung für die bisherige Arbeit«, erklärt Ecker, der selbst Spieler, Trainer und Schiedsrichter war.
Der Preis, mit dem der Deutsche Fußball-Bund die Initiativen ehrt und fördert, erinnert an den in Auschwitz ermordeten jüdischen Fußball-Nationalspieler Julius Hirsch (1892 bis 1943). Seit 2005 zeichnet der DFB jährlich den Einsatz für Toleranz und Menschenwürde, gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aus.
Wie zuletzt die Bremer Fans, die friedlich gezeigt haben, wer ins Stadion gehört und wer nicht.

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024

Berlin

Nach dem Sturz von Assad: Wie geht es nun weiter für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland?

von Anne-Béatrice Clasmann  09.12.2024