von Jessica Jacoby
Paul Verhoeven, der als Regisseur in Hollywood mit Kommerzkinoware wie Robocop, Total Recall und Basic Instinct erfolgreich und international bekannt wurde, ist mit seinem neuen Film Black Book – so der deutsche (!) Verleihtitel – in seine niederländische Heimat zurückgekehrt. Nach Soldaat van Oranje 1977 ist Black Book Verhoevens zweiter Film über den Widerstand gegen die deutschen Besatzer in Holland. Soldaat van Oranje beruhte auf der Autobiografie von Erik Hazelhoff und widmete sich einer Untergrundgruppe von Studenten der Universität Leiden, von denen nur zwei den Krieg überleben. Auch Black Book beruht, so Verhoeven, auf einer wahren Geschichte. Die Heldin hier ist die hübsche jüdische Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten). Nachdem ihre Eltern und ihr Bruder durch die auf der Flucht ins 1944 bereits befreite Belgien von der Gestapo ermordet wurden, schließt sie, die einzige Überlebende ihrer Familie, sich dem niederländischen Widerstand an. Als »Arierin« mit blond gefärbten Haupt- und Schamhaaren getarnt, wird sie als Maulwurf auf den SD-Chef von Den Haag, Ludwig Müntze (Sebastian Koch) angesetzt, in den sie sich jedoch – ganz gegen ihre Mission – verliebt. Als Müntze nach einer SD-internen Intrige verhaftet wird, besteht Rachel darauf, dass er gemeinsam mit im gleichen Gefängnis eingesperrten Widerstandskämpfern befreit werden soll. Doch der Coup endet in einem blutigen Fiasko. Rachel wird von ihrer Gruppe für das Scheitern verantwortlich gemacht und taucht, gejagt von den Deutschen wie vom Widerstand, mit ihrem Liebhaber Müntze unter. Nach der Befreiung werden alte Rechnungen beglichen, überlebende Verräter oder solche, die man dafür hält, werden gejagt, ins Gefängnis gesperrt und misshandelt, Mitwisser getötet. Auch Müntze wird am Ende zur Strecke gebracht. Rachel wird ebenfalls festgenommen und gedemütigt, überlebt aber dank ihrer Geistesgegenwart. Sie macht sich auf die Suche nach dem wahren Verräter. Nachdem sie ihn gefunden und entlarvt hat, wandert sie nach Israel aus, wo sie Lehrerin in einem Kibbuz wird.
Black Book hat ein unbestreitbares Plus: den unwiderstehlichen Charme der Carice van Houten. Sie spielt die Rachel mit atemberaubender Kraft, selbstbewusster Sinnlichkeit, Chuzpe und Humor als Stehauf-Frau, die durch nichts zu brechen ist. Doch ansonsten ist Black Book ein in jeder Hinsicht problematischer Film, eine mit möglichst drastischen Sex- und Schockeffekten in Szene gesetzte Kolportage, die ihre Heldin atemlos von einer Anekdote zur nächsten hetzt, ein Flickenteppich verschiedener Biografien, in der Geschichte jeweils einer Figur kondensiert. Schoa und Widerstand werden hemmungslos für ein voyeuristisches Unterhaltungskino in Dienst genommen. Sei- nem selbst gestellten hohen Anspruch, die unscharfe Trennlinie zwischen Gut und Böse, Widerstand und Kollaboration, Täter und Opfer auszuloten, wird Verhoevens Regie keinesfalls gerecht. Stattdessen bleibt er in der bloßen Umkehrung sattsam bekannter Klischees stecken: Liebenswerter Nazi gegen fiesen Widerständler. Auch wenn Black Book eine niederländische Produktion ist: Was Paul Verhoeven hier abliefert, ist Hollywoodkino im schlechtesten Sinne.