Urlaub

Nächstes Jahr in Eilat

von Norbert Jessen

Wenn der Israeli Urlaub macht, muss dieser billig sein. Deswegen reist Moishe Normalverdiener gern ins Ausland, nur müssen Jahreszeit und Wetter stimmen. Je nach Alter, jeweiliger Laune und Geldbeutel fällt seine Wahl auf ein anderes Wunschdomizil. Bleibt der Israeli im Lande, fährt er nach Eilat: vor allem wegen der Sonderangebote. Um es noch direkter zu sagen: Ohne Special Deal wäre ein Urlaub in Antalyja oder auf Zypern preiswerter als im eigenen Land. Außerdem gibt es hier auch noch die beim Israeli so beliebten Kasinos. Den Sonderpreis handelt meist der Betriebsrat der Firma aus, bei der der Reisende beschäftigt ist. Oder er organisiert zum nächsten Hohen Feiertag gleich eine Gruppenreise: nach Eilat.
All das, was den umweltbewussten Edelurlauber an Las Vegas abstößt, macht Eilat in den Augen der Israelis so anziehend: kilometerlanger Strand mit gut erreichbarer – weil nur über die Straße – Bettenburg sowie reichlich Restaurants und Einkaufszentren in der Nähe. Wenn Essen und Shoppen gesichert sind, ist für Moishe das Unterhaltungsangebot gewährleistet. Die Anbieter von Wüstentouren stünden ohne ausländische Gäste am Rande des Ruins. Die Betreiber des Delfinariums lassen Israelis nur in die Nähe der Tiere, nachdem sie ausführlich über die Verhaltensregeln aufgeklärt wurden, die sehr strikt sind.
Für den Israeli reduzieren sich die Ausgaben in Eilat damit auf das Schlaf- und Esszimmer. Darüber hinaus spart man sich in der Freihandelszone die Mehrwertsteuer. Damit ist die Ausstattung eher spartanisch und macht keinen großen Unterschied zu den früheren Gästehäusern im Kibbuz, wie sie der bis heute beliebte Schlager auf die Schippe nimmt: »Genossinnen und Genossen: Vorwärts, Essen!«
Nur ganz langsam, aber doch spürbar, wird der Sonderpreis vom Besonderen verdrängt. Auch die Betriebsräte der großen Banken und Konzerne fragen heute nicht nur nach dem Preis, sondern auch nach dem Wellness-Spaß, der geboten wird. So wird das gemeinsame Betriebswochenende wegen der Kosten zwar etwas kürzer, die verbleibende Zeit lässt sich dann aber in Badelatschen und Bikini verbringen: Wellness steht ganz oben auf der Wunschliste und ist legitim. Noch in den 90er-Jahren musste ein Polizeichef den Abschied einreichen, weil er mit Sektglas im Jacuzzi abgelichtet wurde. Dabei befand er sich noch nicht einmal in den Armen barbusiger Damen, sondern im Kreise seiner Offiziere. Das galt seinerzeit noch als dekadent. Viele Israelis würden heute nur anmerken, dass der Whirlpool wohl schon zu den ältlichen Modellen zähle.
Herkömmliche Massagen, bei denen der Masseur einfach nur Hand anlegte, gehören ebenfalls der Vergangenheit an. Nur mit unaussprechbaren asiatischen Namen wecken sie noch Interesse und sie sollten nach indischem Dschungel oder Himalaja-Sphären riechen oder klingen. Am besten beides. Und wie gesagt: nur zum Sonderpreis angeboten werden.
Zum Toten Meer zieht es Israelis mit Hautproblemen oder Bromsüchtige. Der Bromgehalt in der Luft soll sogar bei hektischen Börsenmaklern beruhigend wirken. Wobei die Hotels sich darum bemühen, Medizin- und Wellness-Bereich zu trennen. Neben dem Spa von Hamat-Gader am Fuß der blauen Golan-Berge zeigt sich in den archäologischen Ausgrabungen, dass schon die alten Römer getrennte Bäder für Leprakranke und Vollzahler hatten.
Ein sich ständig veränderndes Angebot kommt aus dem schnell wachsenden landwirtschaftlichen Sektor. Hier sprießen die beliebten Zimmerim wie Pilze aus dem Boden. Die Herberge sollte für das Wohl der Gäste mit einem nicht zu kleinen Pool für das Morgenschwimmen ausgestattet sein. Ein Hyper-Jacuzzi, eine Heimkino-Anlage, Internetzugang und atemberaubender Landschaftsblick dürfen für den verwöhnten Israeli nicht fehlen. Am besten ist ein Wasserfall vor dem Fenster. Es gibt Zimmerim im Format einer Villa, in Höhlen, als Liebeslaube oder auch als Festsaal für die Geburtstagsfeier. Diesen Urlaub auf dem Design-Bauernhof gibt’s jedoch meist nicht zum Sonderpreis. Und wenn, liegt das Urlaubsparadies in einem Areal, das sich in Reichweite diverser fremder Raketen befindet. So etwas wie ein Fünf-Sterne-Ballermann.
Nach dem eigentlichen Fremdenzimmer, der einfachen Absteige als Schlafgelegenheit, proper und zum Wohlfühlpreis, sucht der Israeli etwas länger als der Deutsche im Schwarzwald. Der sparsame Israeli genießt die authentische orientalische Gastfreundschaft in drusischen und arabischen Dörfern mit Bio-Ziegenkäse, sechs Honigsorten, andalusischem Orchester in den Dämmerstunden und entsprechenden Aufpreisen höchstens einmal im Jahr zum Geburtstag. Oder er nutzt sie, um die neue Freundin mittels Liebeslaube, Rosenbett und ätherischer Öle zu verführen. Beides und zweimal im Jahr können sich nur wenige leisten. Und nächstes Jahr geht’s wieder nach Eilat.

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