von Marina Maisel
Die schillernden, kleinen Fontänen locken die Jungen zu immer neuen Spielen im Brunnen am Jakobsplatz. Die Passanten ringsum staunen, wie unbekümmert, frei und glücklich die Kleinen im Wasser herumtollen. Doch nicht nur hier herrscht eine besondere Stimmung. Für zwei Sommertage ist der Platz wieder einmal zu einem Magneten für die Münchner Bevölkerung geworden. Der 850. Geburtstag der Stadt wird gefeiert. Das Motto an diesem Wochenende: »Nachbarn bauen Brücken«.
Über Jahrhunderte war der Jakobsplatz mit Dulten und Jahrmärkten ein lebendiger Marktplatz. Nach dem Zweiten Weltkrieg fristete er ein kümmerliches Dasein als zentraler Parkplatz. Erst als 1995 die Idee geboren wurde, hier das Jüdische Zentrum mit Synagoge, Gemeindehaus und Jüdischem Museum zu bauen, bekam der alte Münchner Platz eine neue Chance. Am 9. November 2006 war es dann soweit: Drei neue, moderne Gebäude öffneten ihre Türen und gaben dem Ort ein neues Gesicht. »Ein lebendiger Platz der Stadtgeschichte«, so bezeichnete Oberbürgermeister Christian Ude in seiner Ansprache den heutigen Jakobsplatz und freute sich, dass hier »die jüdische Gemein-
schaft eine Heimat in der Altstadt findet und dass dieser Platz der Verödung der Innenstadt und auch der Kommerzialisierung der Innenstadt entgegenwirkt, indem dort ein kulturelles und religiöses Zentrum entsteht.« Eine gute Nachbarschaft verbindet die vor knapp zwei Jahren eröffnete Ohel Jakob Synagoge, das Angerkloster als älteste Einrichtung am Platz, das jüdische Museum, das Münchner Stadtmuseum, das Orag-Haus, den neue errichteten Angerhof, das Theresia-Gerhardinger-Gymnasium, das Alten- und Servicezentrum Altstadt und nicht zuletzt das neue Gemeindezentrum der israelitischen Kultusgemeinde. »Eine einmalige Symbiose für Europa« nennt Präsidentin Charlotte Knobloch in ihrem Grußwort beim Stadtgeburtstagsfest diesen Ort.
Wie gute Nachbarn bereiten denn auch alle Anlieger in einer mehr als ein Jahr dauernden, intensiven Zusammenarbeit ein gemeinsames Fest vor, bei dem sich die Linde AG und die Wöhr&Bauer GmbH als Haupt- und Co-Sponsoren engagieren.
Was aus dieser Nachbarschaftsinitiative geworden ist, konnten die Münchner und die Gäste der Stadt beim Geburtstagsprogramm genießen. Die Münchnerin Christiane Buchner ist von diesem Tag ganz begeistert und freut sich, »dass endlich dieses Viertel etwas Sinnvolles hat, das mehr ist als nur Parkplatz«. Die Besichtigung der Synagoge hat sie besonders beeindruckt. »Hier sieht man, wie schön unser München gewachsen ist«. Alle Institutionen haben ihre Türen für die Besucher geöffnet. Aber nicht nur das. Die Museen haben eigens Ausstellungen vorbereitet. »Typisch München!« – die Ausstellung im Stadtmuseum zeigt auf 2400 Quadratmetern einen Querschnitt durch die Münchner Stadtgeschichte. Das Jüdische Museum überrascht mit einer besonderen Aktion: »Ein gewisses Jüdisches Etwas«. Im Nachbargebäude Angerhof dokumentiert eine Ausstellung die Geschichte des Platzes. Eine Podiumsdiskussion im Stadtmuseum widmet sich dem Verhältnis von Kirche und Synagoge in Geschichte, theologischem Denken und vor allem der gelebten Nachbarschaft zwischen Gemeindezentrum und Angerkloster. Auch das Gemeindezentrum hat sich etwas einfallen lassen und stellt unter dem Titel »Jüdisches Leben – Angekommen im Herzen Münchens« Fotos aus, die über das letzte, ereignisreiche Jahr der Jüdischen Gemeinde am Jakobsplatz erzählen. Vom Orag-Haus über das Angerkloster bis hin zum Alten- und Service-Zentrum führen verschiedene Generationen einen Kunst-Dialog mit der Ausstellung »Brücken bauen«. Die Mal- und Kunstwerke kommen von Kindern der Sinai-Grundschule, dem Jugendzentrum der IKG, dem Kindergarten des Angerklosters, von Jugendlichen aus dem Gymnasium und auch von Senioren des Alten- und Service-Zentrums Altstadt. Mit verschiedenen Collagen und Malereien zeigen die Vertreter aller Generationen, wie sie »Brücken bauen« verstehen und sie bauen wollen. Daneben zeigen fünfzehn Handwerkskünstler im Orag-Haus in einer »lebenden Werkstätte« ihr Können. Die Handwerksbetriebe haben auch das Material für die Kunstwerke der Schüler gestellt.
Es ist viel los am Jakobsplatz. Von hier aus beginnen Führungen und Rundgänge durch beide Museen, durch die Synagoge und das Angerkloster, und hier beginnt auch der interkulturelle Stadtrundgang »Der Nationalsozialismus in München«. Eine Kunstinstallation unter den Bäumen zwischen dem Jüdischen Museum und dem Angerkloster lud die Passanten ein, sich von dem umfangreichen Programm zu entspannen.
Ganz und gar nicht ruhig ist es dagegen auf der Freilichtbühne am Sebastiansplatz, wo zwei Tage lang verschiedenste Gruppen ihren Auftritt haben. Klesmermusik mit der Band »Simcha«, klassische Musik vom Orchester des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums und immer wieder Gesang mit dem Kinderchor »Hasamir« oder dem Chor der Sinai-Schule oder dem Männerchor »Druschba – Chaverut« der IKG oder dem Chor des Gymnasiums. Mit einem Mix aus jüdischem Volkstanz, Modern Dance und Hip Hop begeistert das Publikum die Tanzgruppe »Genesis« der IKG, während die Schülerinnen des Theresia-Gerhardinger-Gymnasium Akrobatik und Tanz präsentieren.
Alle zusammen gute Nachbarn, auch auf der freien Bühne, zur Freude der zahllosen Gäste. Die Münchnerin Lissy Simmerl meint: »Die Leute sind heute so gut aufgelegt, so locker, Jung und Alt miteinander. Es ist eine so gute Stimmung. Einfach schön!«. Ob es das Bläserensemble der Orchesterakademie des bayrischen Staatsorchesters mit einer Brunnenserenade, oder das Orchester Jakobsplatz mit der Zauberflöte oder als festlicher Abschluss das Münchner Kammerorchester mit Pergolesi und Strawinsky oder irgendein anderes der vielen Ereignisse dieses Nachbarschaftsfestes ist – es sind glückliche und unvergessliche Momente, die München von seinen Bürgern zum 850. Geburtstag geschenkt bekommt. Kein Zweifeln, die Brücken zwischen den Nachbarn im Herzen Münchens sind geschlagen zur Freude aller und für eine tragfähige, gemeinsame Zukunft.