Nach München
Die Sicht des Mossad: Ein Ex-Offizier über Spielbergs Kinofilm
Von Gernot Wolfram
Als während der Olympischen Spiele 1972 in München elf israelische Sportler umgebracht wurden, war der Offizier Ephraim Lapid 29 Jahre alt. Er gehörte zu den Geheimdienst-Mitarbeitern, die später jene Vergeltungsaktionen organisierten, die durch Steven Spielbergs umstrittenen Film München wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind. Im Film erscheinen die israelischen Agenten als Menschen, die während ihrer Killer-Streifzüge quer durch Europa ins Zweifeln kommen. »Ein Dilemma, das in der Realität nie bestand«, sagte Lapid vergangene Woche in Berlin. »Wir haben nicht unterwegs Pläne ausgeheckt und uns neue Zielpersonen ausgedacht. Alles geschah auf der politischen Entscheidungsgrundlage eines demokratischen Staates.«
Lapid ist auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft auf Vortragsreise, um seine Sicht auf die Arbeit des Mossad zu schildern. »Ich bin nicht gekommen, um Geheimnisse auszuplaudern. Ich will den Film zum Anlaß nehmen, zu erzählen, was die reale Sicht Israels auf diesen Fall war.« Lapid zeigte im schlecht beleuchteten Kinosaal im Hollywood Media Hotel am Kurfürstendamm einen Trailer aus Spielbergs Film. Er lächelte und sagte: »Wenn Spielberg nicht den Anspruch erheben würde, der Film hätte dokumentarischen Wert, wäre alles in Ordnung. Aber glauben Sie wirklich, israelische Agenten würden unschuldige Schriftsteller erschießen oder Informationen von dubiosen Mittelsmännern kaufen?« Er betonte, daß die damalige Premierministerin Golda Meir nie, wie im Film gezeigt, direkte Anweisungen zum Töten gegeben hat. »Es wurden Richtlinien festgelegt, die bis heute gelten. Unsere Politik ist präventive Verteidigung. Nur wenn wir sicher sind, daß jemand Terrorakte plant, greifen wir ein.«
Auf die Frage eines Zuhörers, ob man nicht besser, ähnlich wie im Fall Eichmann, die Terroristen hätte verhaften und vor Gericht stellen können, winkte Lapid ab. »Sie müssen die schrecklichen Aktionen dieser Leute stoppen. Verhaftungen helfen nicht.«
Lapid scheint der Agenten-Mythos im Spielberg-Film nicht sehr zu beschäftigen. Er sagte, der Streifen habe keinen großen Einfluß auf die Meinungsbildung. Seine Vortragsreise beweist das Gegenteil. Immer wieder bezog er sich auf den Film, zitierte Szenen und Bilder, als ob sich die Realität gegen die Fiktion zur Wehr setzen müßte. »Der Mossad hat nichts mit Agentenromantik zu tun. Auch die Liebesstorys im Film sind Nonsens.« Zu seiner eigenen Rolle bei den Aktionen nach München vermied Lapid jede genauere Aussage.