von Katrin Richter
Die Fahrt in der kleinen Seilbahn-Kabine hinauf zum Manara Cliff ist abenteuerlich. 800 Meter in zehn Minuten und ein mulmiges Gefühl, wenn der Wind die Kabine etwas ins Wackeln bringt. Und ein ängstlicher Blick hinauf zu den Seilen, wenn der nächste Mast ein Ruckeln auslöst. »Keine Angst«, beruhigt Paul Ginsberg, die wurden gerade erst erneuert. Der Direktor für die nördliche Waldregion von Keren Kayemeth LeIsrael (KKL) saß schon unzählige Male in der kleinen Kabine und hat wohl ebenso oft beruhigend auf skeptische Passagiere einreden müssen. Der Grund für die Kompletterneuerung der Seile war der zweite Libanonkrieg im Jahr 2006. Katjuscha-Raketen, die die Hisbollah vom nahen Libanon aus abfeuerte, hatten zahlreiche Waldbrände verursacht. Die Hitze beschädigte die Kabel so sehr, dass eine sichere Beförderung nicht mehr garantiert werden konnte.
Während der Fahrt von der Stadt Kirjat Schmona, die nur wenige Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt liegt, hinauf zum Manara Cliff offenbart sich das ganze Ausmaß der Zerstörung: Verkohlte Baumstämme, ganze Flächen, die jetzt grau an den Bergen kleben und auf denen sich vorher Baum an Baum reihte. Sie wirken wie Fetzen, die aus einem grünen Baumteppich gerissen wurden.
»Es war verrückt«, sagt Ginsberg, der die Feuerwehreinsätze kordinierte »während über uns die Katjuschas geflogen sind, haben wir versucht, die Brände unter Kontrolle zu bringen.« Sein Blick verrät, dass das wohl eine der riskantesten Unternehmungen in seinem bisherigen Berufsleben war. »Wir arbeiteten Zwölf-Stunden-Schichten,« sagt Ginsberg. Und sein Kollege Aviram Zug nickt, als könne er jetzt, fast eineinhalb Jahre danach, noch nicht fassen, was dort im Sommer 2006 geschah: »Nur zusammen mit der Feuerwehr und vielen Freiwilligen war es möglich, die Brände nach und nach unter Kontrolle zu bekommen.« Für die KKL-Mitarbeiter entstand nach dem Löschen so etwas wie eine Stunde null. Eins war klar: Es musste aufgeforstet werden. Nur wie? Einige Regionen konnten sich selbst regenerieren, doch dort, wo die Schäden größer waren, musste neu gepflanzt werden. Bestanden die Wälder an den Bergen bisher hauptsächlich aus Nadelbäumen, wurden an anderen Stellen ganz bewusst unterschiedliche Baumarten, wie einheimische groß- blättrige Sorten, angepflanzt, um die Vielfalt zu garantieren und das schon bestehende Ökosystem abwechslungsreicher zu gestalten. Bis Besucher des Manara Cliffs jedoch wieder den grünen Teppich von oben betrachten können, wird noch einige Zeit vergehen. Noch sind Arbeiter damit beschäftigt, verbrannte Bäume abzusägen und neue Bäume zu setzen.
Ein ähnliches Bild bietet sich im Birya-Wald. Fast ist es, als läge noch der Geruch von verbranntem Holz in der Luft. Und hier soll wieder Wald entstehen? Wie lange wird das dauern? »Man muss Geduld haben«, sagt Zeev Kedem, Direktor für Entwicklung bei KKL. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain habe das damalige Palästina auf seiner Reise im Jahr 1867 als »ein desolates Land« beschrieben, in dem kaum ein Baum oder Busch zu sehen war. »Selbst Olivenbäume und Kakteen, diese unverwüstlichen Genossen eines wertlosen Bodens, scheinen das Land gänzlich verlassen zu haben.«
Hundert Jahre später waren mit Hilfe zahlreicher Spender ganze Wälder angelegt. Kedem weist auf die Steintafeln mit den Namen der Spender. »Ohne sie und diejenigen, die nach dem Libanonkrieg gespendet haben, hätten wir es nicht geschafft, einen der größten Wälder Israels wieder aufzuforsten.« Ein halb abgerissener verkohlter Baum zeigt, was eine Katjuscha-Rakete anrichten kann. Und noch stehen viele dieser zerfetzten Bäume im Wald. Rund 40 Millionen US-Dollar hat der erste Schritt zur Aufforstung gekostet. Es wird 50 Jahre dauern, bis der Wald wieder so aussieht, wie vor dem Libanonkrieg. Bis dahin heißt es: »Spender gesucht«.