von Peter Bollag
Wer im malerischen Lugano nach einer koscheren Unterkunft sucht, tut dies seit einigen Monaten vergeblich: Die Stadt am See im Süden der Schweiz, die noch in den 70er-Jahren über zwei koschere Hotels verfügte, hat nach der Schließung des Hotels »Dan« keine koschere Bleibe mehr. Aber Lugano ist nicht typisch für die Skisport-Hochburg Schweiz, die sich im steten Konkurrenzkampf mit ihrem östlichen Nachbarn befindet. Denn anders als in Öster- reich, wo es lediglich ein koscheres Hotel gibt (und sogar das ist nicht ganzjährig geöffnet), zählt Helvetia immerhin drei koschere Hotels in bekannten Kurorten. Früher waren es zeitweise allerdings sogar fünf bis sechs.
Doch die koschere Hotellerie der Schweiz ist im Umbruch. Am deutlichsten zu erkennen ist dies beim wohl ältesten Koscher-Hotel der Welt, dem 1883 gegründeten »Edelweiss« im Nobel-Ort St. Moritz. Leopold Bermann, über Jahrzehnte der Inbegriff des jüdischen Hoteliers, hat das Haus seiner Tochter und seinem Schwiegersohn übergeben, die es in nächster Generation weiterführen.
St. Moritz ist angesagt – nicht nur bei den Putins, Brunis oder bei Pop-Ikone Tina Turner, die den Jahreswechsel im Engadin verbrachten, sondern auch bei vielen orthodox-jüdischen Touristen aus aller Welt, vor allem aus Israel und den USA, aber auch aus europäischen Ländern. Bei ihnen sind Rodeln, der Abfahrt- oder selbst Langlauf-Skisport so beliebt, dass weder das »Edelweiss« noch das »Palace« im Engadiner Kurort Scuol-Tarasp zwischen Dezember und März große Probleme haben, ihre Häuser zu füllen. Gleiches gilt für das »Metropol« in Arosa, das seit Jahrzehnten von der Familie Levin geführt wird. Kurzfristig in diesen Häusern unterzukommen, ist nur im Ausnahmefall möglich – auch wenn die Preise nicht niedrig sind: Um die 140 Euro zahlt man pro Person im Doppelzimmer.
Die Schweizer Koscher-Hotels verfügen mittlerweile auch über verschiedene Wellness-Anlagen, die zum Angebotsstandard gehören. Und sowohl im Winter als auch im Sommer ziehen die drei Häuser auch jüdische Reisende an, die zwar woanders wohnen, aber die Infrastruktur der koscheren Hotels nutzen: Sie kommen zum Beten in die hoteleigenen Synagogen und nehmen die eine oder andere Mahlzeit dort ein.
Jüdische Skitouristen gibt es allerdings unterdessen auch in Orten, in denen es keine koschere Herberge (mehr) gibt. Da ist an erster Stelle Davos zu nennen. In dem »Zauberberg«-Ort, der mit der ehemaligen Lungenheilstätte »Etania« jahrzehntelang ebenfalls eine koschere Bleibe anzubieten hatte, bekommt man in den Winter- monaten immerhin noch einen Minjan zusammen – allerdings nicht zu vergleichen mit dem, was in den Sommermonaten hier vor sich geht, wenn Davos zur vermutlich größten jüdischen Alpenstadt der Welt wird.
Dass die drei noch bestehenden koscheren Hotels allesamt im Touristenkanton Graubünden liegen, während die konkurrierenden Bergkantone Bern oder Wallis in Sachen Koscher-Unterkunft nichts Dauerhaftes mehr anbieten, ist vermutlich kein Zufall: In Graubünden hat der Tourismus eine lange Tradition, auch wenn die Bündner Bergbevölkerung da und dort als noch ein wenig sturer gilt als diejenige anderer Kantone.
Immerhin: Probleme zwischen orthodoxen jüdischen Gästen und der einheimischen Bevölkerung, über die die Medien in den großen Kurorten früher gelegentlich berichteten, scheinen zumindest vordergründig weitgehend gelöst.
Die jüdischen Hoteliers hoffen auf einen langen und schneesicheren Winter – vor allem in diesem Jahr, da Purim auf Ostern fällt und Pessach sich fast bis in den Mai hineinzieht. Denn ohne Schnee verbringen selbst jüdische Skifans das Fest des Auszugs lieber am Strand als in den Bergen.