von Detlef David Kauschke
Schira hat Lampenfieber. »Es ist mächtig aufregend, vor Juden im Ausland aufzutreten«, findet die 19jährige Soldatin. Sie ist schon fast zwei Jahre bei der Armee, aber es ist das erste Mal, daß sie mit ihrer Band außerhalb Israels ein Konzert gibt. »Und wir sind sehr stolz darauf, daß wir hier in Uniform vor unserem Publikum stehen dürfen«, ergänzt ihre Vorgesetzte Zipi Mazor. Schira, die nur noch einen Monat Wehrdienst zu leisten hat, bekleidet den Rang eines Feldwebels, die 38jährige Zipi den eines Majors. Schira singt und spielt Querflöte. Zipi ist die Chefin im Hintergrund, sie begleitet die Lahakat Zahal, die Unterhaltungsband der israelischen Streitkräfte, zu ihren Auftritten.
Der normale Einsatzplan bringt sie zu Konzerten in verschiedene Armeestützpunkte in Israel. »Unsere Aufgabe ist es, die Soldaten zu unterhalten und ihnen etwas Abwechslung zu bieten«, sagt Schira. In den ersten drei Augustwochen – während des Krieges im Libanon – war sie mit der Band im Norden Israels unterwegs. »Vormittags haben wir in den Bunkern von Haifa, Tiberias, Sefad und anderen Städten für Kinder, Familien und Alte gesungen, abends dann in Camps nahe der libanesischen Grenze für unsere Soldaten.«
Schira stammt aus Raanana. Ihre Heimatstadt im Norden Tel Avivs war nicht direkt vom Krieg betroffen. Ganz anders sah es in Carmiel aus. Dort, wo Musikerkollegin Naama zu Hause ist, schlugen Dutzende Katjuschas ein. »Meine Familie saß im Bunker, während ich auf Tour war«, berichtet sie. Naama weiß aus erster Hand, was der Krieg angerichtet hat, und daß Israel jetzt Hilfe braucht. Deshalb ist sie nach Deutschland gekommen.
Keren Hayesod (KH) hat die Band eingeladen. Spendensammeln geht mit Musik einfach besser. Am Sonntag sind die Soldaten zur sechstägigen Tournee, die sie auch nach Frankfurt, Düsseldorf und München führt, in Berlin eingetroffen. Am Montagabend stehen sie auf der Bühne des Jüdischen Gemeindehauses an der Fasanenstraße. Rund 300 Gäste sind gekommen. Nicht nur Mitglieder der Gemeinde, sondern auch andere Freunde Israels, wie zum Beispiel Inge und Erich Schwanbeck aus Tempelhof. Warum sie sich für den jüdischen Staat engagieren? »Weil Israel uns braucht, ganz einfach.«
Auf den Stühlen im großen Saal liegen – passend zum Programm des Abends – ein israelisches Papierfähnchen, ein Zettel mit dem Text der israelischen Nationalhymne, und ein Überweisungsformular für die Spendenorganisation Keren Hayesod, auf dem schon der Verwendungszweck handschriftlich eingetragen ist: »Wiederaufbau Nord-Israel«.
»Wir Juden kommen immer gleich zur Sache«, sagt der israelische Botschafter Shimon Stein schmunzelnd. Israel ist auf Solidarität angewiesen und setzt auf die Unterstützung der jüdischen Gemeinschaft in der Diaspora. »Dabei kommt es auf jeden einzelnen an«, macht Stein in seiner Rede deutlich. KH-Europadirektor Yaakov Snir lobt die Hilfe, die aus Deutschland bereits in den vergangenen Wochen gewährt wurde. »Der Krieg hat einen schrecklichen Preis gefordert«, betont er. 158 Todesopfer und mehr als 4.000 Verletzte seien in Israel zu beklagen. Zudem habe der Raketenbeschuß der Hisbollah erhebliche Sachschäden angerichtet, allein 6.000 Gebäude seien beschädigt. Der Wiederaufbau habe bereits begonnen. »Wir haben eine große und anspruchsvolle Aufgabe vor uns.« Deshalb brauche Israel jetzt die Solidarität dringender denn je, sagt Nathan Gelbart, der Deutschland-Vorsitzende von Keren Hayesod, »Es gibt keine Geberkonferenz für Israel, bei der an einem Tag in Stockholm 800 Millionen Euro gesammelt werden. Und Israel will das auch nicht.«
Dann hat die Musik das Wort. Nach einer Stunde Programm, das mit »Rak Hachaim« (nur das Leben) beginnt und mit der Hatikwa (die Hoffnung) endet, sind Schira und ihre Bandkollegen froh und zufrieden. Die Zuschauer haben kräftig applaudiert, mit den blauweißen Fähnchen gewunken und bei den bekanntesten Liedern sind einige sogar aufgestanden, um vor der Bühne zu tanzen. »Und bei ›Jeruschaljim schel Zahav‹ haben sogar alle mitgesungen«, ist Schira begeistert. »So etwas habe ich in Israel noch nie erlebt.« Das wird sie so schnell auch nicht vergessen, sagt sie. Und Schira hofft nun, das die Zuschauer und die anderen Freunde Israels nicht vergessen, auch wirklich den Wiederaufbau im Norden des Landes mit Spenden zu unterstützen.