von Bernd Beuder
Einen solchen Anstieg hätten auch im Irangeschäft erfahrene Geschäftsleute kaum für möglich gehalten: 16 Prozent Zuwachs im ersten Halbjahr 2008. Um rund 270 Millionen Euro haben die Exporte in das Mullah-Regime in diesem Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr angezogen.
In der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Hamburg geht man davon aus, dass der bemerkenswerte Exportzuwachs auf den Maschinen- und Anlagenbausektor entfällt. Irgendeine Lieferung, heißt es, sei wohl im Rahmen eines größeren Altvertrages erfolgt. Generell aber sei der Export nach Teheran eher rückläufig, sagt man. Sicher ist die Vermutung, es sei ein Altauftrag nicht, denn die detaillierten Außenhandelsstatistiken erscheinen erst in der zweiten Dezemberhälfte.
Aber die Vermutung, die die Handelskammer äußert, entspricht den politischen Vorgaben aus Berlin. Wiederholt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die deutschen Unternehmer aufgefordert, sich freiwillig zu beschränken und ihr Engagement im Handel mit Teheran zurückzufahren. Dieser Appell kommt bei der Wirtschaft alles andere als gut an, denn dort, wo sich die Deutschen angesichts von Sanktionen, fehlenden Finanzierungen und politischem Druck zurückziehen, machen andere das Geschäft – allen voran die Chinesen. Um satte 60 Prozent wuchsen die Exporte aus dem Reich der Mitte 2007, und auch russische Unternehmen vermelden enorme Zuwächse im Irangeschäft, während die deutschen Exporteure zwischen 2005 und 2007 Einbußen von rund 800 Millionen Euro zu verschmerzen hatten.
In China und Russland kümmere man sich eben nicht um Sanktionen, ist hinter vorgehaltener Hand von deutschen Unternehmern zu hören. So klagen Maschinen- und Anlagenbauer, dass zweierlei Maß angelegt werde, wenn es um den Iran gehe. Der Sektor gehört zu den traditionellen Lieferanten des Iran, und die Statistiken des Verbandes weisen Ausfuhren im Wert von bis zu 1,75 Milliarden Euro aus. Im letzten Jahr, 2007, waren es jedoch nur noch 1,1 Milliarden, und VDMA-Geschäftsführer Hannes Hesse beklagte sich schon vor einigen Monaten, dass deutsche Unternehmen Aufträge verlören: Die Projektabwicklung sei zu kompliziert, und die Finanzierung werde immer schwieriger.
So haben sich die deutschen Großbanken längst aus dem Irangeschäft zurückgezogen, um ihre US-Geschäfte nicht zu gefährden. Obendrein sind staatliche Hermes-Deckungen für die Ausfuhr immer schwieriger zu ergattern. 2007 sank die Summe der staatlichen Bürgschaften auf etwas mehr als 500 Millionen Euro. 2006 waren es noch 1,16 und ein Jahr zuvor wurden noch 1,45 Milliarden Euro bewilligt. Zudem wurden im August 2007 die Entgelte für die Exportkreditgarantien erhöht, obwohl das Ausfallrisiko im Irangeschäft den Statistiken zufolge minimal ist.
Aus Unternehmerperspektive sind das zusätzliche Handelshürden, die sich ähnlich negativ auf den Handel auswirken wie die langen Bearbeitungsfristen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). »Das wird bombardiert mit Anträgen, denn viele Unternehmer wollen sich die Unbedenklichkeit ihrer Güter quasi von Amts wegen bestätigen lassen«, sagt ein auf das Irangeschäft spezialisierter Hamburger Anwalt, der anonym bleiben will. Wartezeiten und Lieferverzögerungen sind die Folge und ein Grund, weshalb das Geschäftsklima alles andere als gut sei, wie die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) mehrfach berichtete.
Dort kann man sich immerhin den starken Zuwachs bei den Exporten im ersten Halbjahr 2008 partiell erklären. Zum einen seien lang aufgeschobene Investitionsentscheidungen im Iran ab Mitte 2007 getroffen worden, wodurch es zur Auftragserteilung in verschiedenen Sektoren gekommen sei. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich um einen sehr kleinen Warenausschnitt handele, der mit Sanktionen belegt sei – das Gros des Irangeschäfts sei davon nicht betroffen. Zum anderen seien in größerem Umfang Rohre in den Iran geliefert worden, die sich genauso wie die generelle Kostensteigerung in der Statistik niederschlage, so ein Experte des Hauses. Der Maschinenbau, der als Motor des deutschen Irangeschäfts gilt, trägt hingegen nur wenig zum Aufschwung bei. Auf rund fünf Prozent belaufe sich das Plus, und nach wie vor sind die Sorgen in der Branche groß, mit dem Iran einen potenten Auftraggeber zu verlieren.
Generell zeigen wachsende Kritik an der Sanktionspraxis und steigende Exporte, dass die deutschen Unternehmer nicht gewillt sind, dem Iran als wichtigsten Handelspartner in der Region den Laufpass zu geben. Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und China ist Deutschland das wichtigste Lieferland für das Teheraner Regime. Der für Europa zuständige Vizeaußenminister Mehdi Safari warb erst Anfang Juli bei einer Deutschlandvisite mit der Prognose, der bilaterale Handel könne schnell auf ein Volumen von 20 Milliarden Euro ansteigen.
Gute Perspektiven für deutsche Unternehmen im Iran hat die bfai im Automobil-, Elektronik- und Informationstechnologiesektor ausgemacht. Diese Chancen scheinen deutsche Unternehmer jetzt nutzen zu wollen.
So war am Montag eine Veranstaltung der in Hamburg ansässigen Deutsch-Iranischen Handelskammer im mondänen Atlantic Hotel sehr gut besucht. Spezialisten aus dem Finanzwesen wie die für den Iran zuständige Fachfrau der Euler-Hermes-Kreditversicherungs-AG waren genauso präsent wie Rechtsanwälte oder Spediteure mit langjähriger Erfahrung im Irangeschäft. Dabei sei es allein um die Weitergabe von handfesten Informationen gegan- gen, nicht um irgendwelche dubiosen Tipps zur Umgehung der Sanktionen, war aus dem Umfeld der Veranstalter zu hören. Allerdings haben derartige Veranstaltungen derzeit Konjunktur. Schon Ende Januar steht in Frankfurt am Main ein weiteres Iranseminar an: »Ihr Markterfolg im Iran« lautet der markige Titel. Im Flyer zur Veranstaltung ist von Sanktionen oder dem Druck der USA erst gar nicht die Rede.