Die Elite isolieren
von Omid Nouripour
In der Debatte um das iranische Atomprogramm verhärten sich die Fronten. Der Iran ließ das Ultimatum der UN ergebnislos verstreichen, Präsident Ahmadinedschad erteilte den Forderungen nach Unterbrechung der Urananreicherung eine Absage. Jetzt stellt sich den UN-Veto-Mächten und Deutschland die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Die US-Regierung will dabei durch die Verhängung von umfassenden Wirtschaftssanktionen das iranische Regime im Atomstreit zum Einlenken bewegen.
Allgemeine Wirtschaftssanktionen führen in der Regel allerdings nicht zu einer Destabilisierung des betroffenen Regimes, sondern treffen in erster Linie die Bevölkerung. In den neunziger Jahren starb im Irak knapp eine Million Menschen an den Folgen fehlender Medikamente und Lebensmittel. Die USA haben bereits 1979 den Handel mit dem Iran eingestellt, ohne relevante Erfolge verbuchen zu können. Ziel diplomatischer Bemühungen muß deshalb sein, das Regime zu isolieren, ohne die trotz aller Repressionen noch immer vitale iranische Zivilgesellschaft zu schwächen. Gerade diese muß in ihrem Streben nach demokratischen Rechten und Freiheiten stärker unterstützt werden. Nur eine inneriranische Reformbewegung kann demokratische Veränderung bewirken. Allgemeine Wirtschaftssanktionen würden dagegen die Reformer schwächen und weite Teile der Bevölkerung angesichts der Bedrohung von außen der Regierung zutreiben. Zudem könnten die Sanktionsfolgen Ahmadinedschad eine Ausrede für das Scheitern seiner großen Wahlversprechen in der Wirtschafts- und Sozial- politik liefern.
Gegenwärtig hätte die Durchsetzung eines umfassenden Wirtschaftsboykotts kaum Aus- sicht auf Erfolg. Weder China noch Rußland waren bisher Sanktionen gegenüber aufgeschlossen und kön- nen mit einem Veto den UN-Sicherheitsrat blockieren. Dabei spielt auch das Interesse daran, eine weiteren Höhenflug der Preise für Erdöl als Folge eines Boykotts zu verhindern, eine wichtige Rolle.
Die einzig realistische Option ist daher ein abgestuftes ziviles Sanktionssystem, das auf die politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes zielt. Hier hilft ein Blick auf die Liste der sogenannten »smart sanctions« – der intelligenten Sanktionen. Nicht alle diese Maßnahmen sind sinnvoll oder durchführbar. Ein Boykott von Waffenlieferungen in den Iran wäre sinnvoll, angesichts der »offenen Grenzen« zu Pakistan und Afghanistan allerdings kaum lückenlos durchführbar.
Mit »smart sanctions« wie dem Einfrieren der milliardenschweren Auslandskonten der iranischen Führung könnte dagegen das Regime unter Druck gesetzt werden. Auch ein Boykott der religiösen Stiftungen im Land wäre sinnvoll. Diese unterhalten eigene Unternehmen in der Schattenwirtschaft und machen Milliardengeschäfte mit den Golf- und EU-Staaten wie Frankreich. Die Führung dieser Stiftungen gehört den Clans und Cliquen der konservativen Eliten an. Solche Maßnahmen haben das Potential, die Gräben zwischen den einzelnen Flügeln der Führung wieder aufbrechen lassen. Auf diese Weise könnte das Regime destabilisiert werden. Auch ein allgemeines Einreiseverbot für Ahmadinedschad und seine Stützen des Regimes könnte den internationalen Druck auf das Re- gime auf neuralgische Punkte verlagern.
Höchstes Ziel ist und bleibt die Verhinderung der Urananreicherung im Iran. Wenn sich das Regime in Teheran weiterhin jeglichen Kompromißangeboten seitens der internationalen Staatengemeinschaft verschließt, muß daher auch über die Verhängung von solchen Sanktionen nachgedacht werden. Es muß dabei sichergestellt werden, daß diese sich ausschließlich gegen die politische Elite des Landes richten und nicht die Zivilbevölkerung treffen.
Geduld haben
von Rolf Mützenich
Seit Jahren versuchen die »EU 3« (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) und neuerdings die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland die iranische Nuklearkrise diplomatisch zu lösen. Die Ergebnisse sind zwiespältig.
Negativ zu vermerken bleibt, daß Iran noch immer nicht zu einer umfassenden Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien bereit ist. Nach wie vor gibt es Unklarheiten über den genauen Stand des iranischen Atomprogramms. Die wüsten Drohungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gegenüber Israel und seine wiederholte Leugnung des Holocaust sind inakzeptabel und haben die Verhandlungen ebenfalls schwer belastet.
Positiv zu vermerken bleibt, daß wir heute dennoch insgesamt mehr über das Programm wissen, ebenso über die unterschiedlichen Interessen der Fraktionen und Gruppen innerhalb des Regimes, das längst nicht so homogen ist, wie es scheint. Es ist zudem – bis jetzt – gelungen, die USA weitgehend mit ins Boot zu holen, obwohl dort eine stringente Iranpolitik bis heute fehlt. Rußland wie auch China unterstützen die diplomatischen Bemühungen, da auch sie kein Interesse an einem atomar bewaffneten Iran haben können. Auch in den Anrainerstaaten des Persischen Golfs wächst die Sorge über eine nuklear bewaffnete regionale Vormacht Iran.
Festzuhalten bleibt, daß der Iran als der eigentliche Gewinner aus dem »Krieg gegen den Terrorismus« hervorgegangen ist. Unmittelbare Bedrohungen seitens der Taliban in Afghanistan oder des Regimes von Saddam Hussein im Irak sind nicht mehr existent. Der unmittelbare Einfluß auf schiitische Gruppen im Irak oder im Libanon ist dagegen gewachsen. Iran sieht sich heute mehr denn je als regionale Vormacht mit weitreichenden strategischen Interessen.
Hinzu kommt ein ausgeprägtes Nationalbewußtsein. Man ist nicht gewillt, die Einschränkung von Rechten hinzunehmen, die anderen Staaten – wie Indien, Pakistan und Nordkorea – in der Vergangenheit gewährt wurden oder noch werden. Hierzu gehört vor allem das verbriefte Recht zur Beherrschung des gesamten Brennstoffkreislaufs. Nicht nur die Regierung und das konservative Parlament, sondern nahezu alle relevanten Gruppierungen im Iran sehen deshalb das Atom- programm auch als persisch-nationales Prestigeprojekt.
Nach Ablauf des Ultimatums wird nun in der internationalen Politik konkret über Sanktionen diskutiert, die das iranische Atom- und Trägerprogramm behindern sollen. Es geht dabei vor allem um Maßnahmen, die direkt auf den Handlungsspielraum der Führung in Teheran zielen, ohne der iranischen Bevölkerung zu schaden. Hierzu gehören zum Beispiel: ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen für iranische Offizielle, das Einfrieren iranischer Regierungsguthaben bei ausländischen Banken, Importbeschränkungen für iranische Produkte, striktere Einschränkungen für Industrieeinfuhren und eine Begrenzung der iranischen Ölausfuhren.
Die diskutierten Sanktionen hätten für den Iran sicherlich unterschiedliche Wirkungen. Das gilt aber auch für die Staaten, die sie verhängen. Wichtiger noch als die einzelnen Maßnahmen ist aber, daß die relevanten Staaten gemeinsam agieren und zusammenbleiben, damit die Sanktionen auch wirken. Eine »Koalition der Sanktionswilligen« – wie von Seiten der USA angedroht – ist keine Alternative.
Wir brauchen deshalb beides: Konsensuale Sanktionen und diplomatischen Druck. Was wir nicht brauchen, sind einseitige und übereilte Sanktionen, die nur dazu dienen, die gemeinsame Front der Sicherheitsratsmitglieder aufzubrechen.
Parallel gehört es zu einer klugen Außenpolitik, Gesprächskanäle offenzuhalten. Eindämmungspolitik allein wird zu keiner Verhaltensänderung führen. Zwischen »Appeasement-Politik« und Krieg gibt es immer noch ein breites Spektrum von politischen und diplomatischen Möglichkeiten und Abstufungen. Denn eine Strategie muß, wenn sie wirksam sein soll, immer wieder auch an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.
Diplomatie ist ein mühsames und oft frustrierendes Geschäft. Davon können die Iran-Unterhändler aller Seiten ein Lied singen. Dennoch gibt es dazu keine Alternative. Es droht die Gefahr, daß über die Frage der Sanktionen die gemeinsame Position der internationalen Gemeinschaft aufgebrochen wird. Daran kann nur einer ein Interesse haben: der Iran.