Es geschah völlig unerwartet: Vergangenen Mittwoch gegen ein Uhr nachmittags be-ttitt James von Brunn, ein 88-jähriger Weltkriegsveteran, das Holocaust-Museum an der Mall in Washington D. C. Der Eingang ist mit Metalldetektoren gesichert, aber damit hält sich von Brunn nicht auf. Ohne Vorwarnung legt er ein Kleinkalibergewehr an und schießt den 39-jährigen Sicherheitsmann Stephen T. Johns in die Brust. Er bricht zusammen, Besucher gehen schreiend in Deckung, von Brunn wird von Sicherheitsleuten niedergeschossen. Johns stirbt im Krankenhaus, und sollte von Brunn überleben, wird er wohl das Gefängnis nie wieder verlassen.
Der Anschlag schockiert viele. Er zeige, sagte Rabbi Marvin Hier, Gründer des Simon Wiesenthal Center, dass »Hass, Vorurteile und Antisemitismus in Amerika noch immer sehr präsent sind«. Von Brunns Anschlag ist nur einer von vielen: Erst vor wenigen Wochen hatte ein Rechtsradikaler einen Arzt in Kansas umgebracht, der Abtreibungen vorgenommen hatte. Ein jüdischer Student der Wesleyan University war von einem Antisemiten erschossen worden, und vier schwarze Männer wollten zwei Synagogen in der Bronx in die Luft sprengen.
Dass aber ein Bewaffneter es schafft, in das Holocaust-Museum einzudringen, ist ungewöhnlich. Das Museum, das seit seiner Eröffnung 1993 fast 30 Millionen Besucher hatte, ist, wie alle jüdischen Einrichtungen der USA, schwer geschützt. Der Si- cherheitschef, ein ehemaliger FBI-Mann, hat neben den Wachen, Metallschleusen und Röntgenmaschinen Betonsperren installieren lassen, die LKWs hindern sollen, am Museum zu parken. Überall sind Kameras. Diese Vorsicht kommt nicht von ungefähr. Schon 2002 hatten zwei Rassisten geplant, das Museum mit einer Bombe aus Stickstoffdünger in die Luft zu sprengen. Und nach von Brunns Anschlag berichtete ein Vater auf dem Blog www.huffingtonpost.com, dass seine Tochter, die in dem Museum arbeite, regelmäßig Todesdrohungen erhielt.
»Der Mord im Holocaust-Museum ist Ausdruck einer Hasswelle, die sich gegen Juden und jüdische Organisationen richtet«, sagte Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League. Denn radikale Gruppen wie die Aryan Nations, die Liberty Lobby oder Stormfront gibt es in den USA Hunderte. Deren Zahl ist dem Southern Poverty Law Center zufolge seit 2000 sogar um mehr als die Hälfte gestiegen. Die Wahl von Barack Obama verschafft ihnen noch mehr Zulauf, denn weißen Rassisten ist ein schwarzer Präsident mit einem jüdischen Stabschef ein Dorn im Auge. »Heterosexuelle weiße christliche Männer haben seitdem das Gefühl, sie werden aus dem Weg gestoßen«, sagte Chip Berlet vom Thinktank Political Research Association, der rechtsextreme Gruppen beobachtet. Auch von Brunn gehört einer Neonazi-Gruppe namens National Alliance an, die Hasspropaganda in Washington und im Internet verbreitet.
Erst im April warnten Heimatschützer vor »einsamen Wölfen und Terrorzellen, die einer gewalttätigen rechtsradikalen Ideologie anhängen«. Dies sei derzeit der gefährlichste terroristische Trend in den USA. Dem FBI zufolge wurden bereits 2007 rund 3.700 Hassverbrechen begangen, Gewalttaten gegen Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung. Der größte Teil, 1.771 Fälle, richtete sich gegen Schwarze, 660 gegen Homosexuelle und 163 gegen Juden. Eine Konsequenz wurde bereits gezogen: Alle jüdischen Einrichtungen, von Los Angeles über Ohio und Florida bis New York, haben ihre Sicherheit verstärkt. Und die Polizei stellt Spezialisten für Terrorbekämpfung vor wichtige jüdische Gebäude. Eva C. Schweitzer
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