Herr Heuberger, der Berliner Kunstförderer Peter Raue will für die Restitution von NS-Raubkunst eine Art Verjährungsfrist einführen. Was halten Sie davon?
heuberger: Leider haben die Museen in Deutschland viel zu spät begonnen, die Sammlungszugänge der NS-Zeit kritisch zu prüfen. Dem wollte man mit den Beschlüssen der Washingtoner Konferenz von 1998 international begegnen. Angesichts dessen ist jede Forderung nach einer Verjährungs- oder Verwirkungsfrist moralisch nicht gerechtfertigt und gerade für Deutschland politisch bedenklich.
Raue sagt auch, dass Restitutionsverfahren eingeleitet würden, weil »die Antragsteller erkennen, welche atemberaubenden Werte die Kunstwerke heute haben«. Ist das tatsächlich der Fall?
heuberger: Eindeutig nein. Das Gros der restituierten Werke ist von geringem künstlerischen und pekuniären Wert. Die Rückgabe ging ohne öffentliche Aufmerksamkeit vonstatten. Gerade Kunstwerke stellen für die Überlebenden und Erben häufig das einzige Bindeglied zu den ermordeten Angehörigen dar. Leider hat die Debatte um das Kirchner-Gemälde diese Aspekte der Kunstrestitution überschattet.
Spricht Raue nur für sich selbst oder sind seine Auffassungen repräsentativ für das deutsche Museumswesen?
heuberger: Ich hoffe, dass Raue keineswegs die Mehrheit der deutschen Kulturinstitutionen und ihrer Mitarbeiter repräsentiert. Meiner Meinung nach möchten die Museen Sammlungen und Ausstellungen zeigen, die zu Recht Teil des Bestandes und nicht von zweifelhafter Herkunft sind.
Wie verhält sich die Bundesregierung in dieser Sache?
heuberger: Der Kulturstaatsminister ist initiativ geworden und hat wichtige Schritte in die Wege geleitet. So wurden – wenn auch nicht in hinreichendem Umfang – Mittel für die Provenienzforschung bereitgestellt und wichtige Maßnahmen der Grundlagenforschung angestoßen. Diese Initiativen sind positiv zu bewerten und sollten auch auf einer internationalen Fachkonferenz diskutiert werden. Darüber hinaus würde es die Claims Conference begrüßen, wenn die Regierungsvertreter zusammenkämen, um zehn Jahre nach Washington Bilanz zu ziehen.
Mit dem Deutschlandrepräsentanten der Claims Conference sprach Michael Wuliger.