Castro

Mode global

von Ralf Balke

»Hasta la Victoria siempre!« Revolutionäre Parolen dieser Art wird man beim Betreten eines Ladens der israelischen Modekette Castro wohl vergeblich suchen. Auch gibt es keinen triumphierenden kubanischen Diktator mit einer Zigarre im Mund, der dem Kunden im Geschäft entgegengrinst. Dabei hätte das Management von Castro Model Ltd. allen Grund dazu, die Pose eines strahlenden Siegers einzunehmen, denn der Young-Fashion-Anbieter befindet sich seit Jahren auf Erfolgskurs und gehört im knallharten internationalen Modegeschäft ganz klar zu den Gewinnern.
Fast neunzig Geschäfte besitzt Castro allein in Israel und gilt dort in Sachen Trendfashion eindeutig als Marktführer. Das Castro-Sortiment umfaßt nicht nur Textilien jeglicher Art, sondern auch Kosmetik und Accessoires. Die Zielgruppe ist die konsumfreudige Käuferschicht im Alter zwischen fünfzehn und dreißig. Vor rund zwei Jahren wagte das Unternehmen den Sprung ins Ausland. Nicht ohne Grund, wie Limor Weichselbaum, Marketing-Vizepräsidentin von Castro, erklärt: »Spätestens als Zara, Mango & Co. in den neunziger Jahren ihren Markteintritt in Israel ankündigten, mußten wir uns entscheiden: Entweder wir schotten uns ab, oder wir gehen selbst in die Offensive.« Castro beschloß letzteres. Dabei hieß die Devise von Anfang an »Nicht kleckern, sondern klotzen«, denn die Internationalisierung geschah auf breiter Front. Über zwanzig Castro-Stores in sieben Ländern öffneten bis dato ihre Pforten. Seit Anfang Oktober gibt es auch eine Filiale in der Berliner Tauentzienstraße.
Deutschland nimmt in der Expansionsstrategie des israelischen Modeunternehmens eine zentrale Rolle ein. 2004 startete Castro mit einem Geschäft in Kölns beliebter Einkaufsmeile Schildergasse in unmittelbarer Nachbarschaft zu den bereits etablierten Größen wie H&M oder Esprit und Benetton. Ein gewagter Schritt. Es folgten Filialen im Oberhausener Shopping-Tempel Centro sowie in Münster. Dazu Castro-Deutschlandchef Carsten Lehnen gegenüber dem Fachmagazin »Textilwirtschaft«: »Wir würden gerne noch schneller expandieren. Aber es gibt einfach nicht genügend freie Flächen.« Castro-Stores werden nur in besten Lagen eröffnet, die eine möglichst hohe Kundenfrequenz versprechen. Und das ehrgeizige Ziel lautet: Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen bundesweit bis zu vierzig Läden unter der Castro-Flagge segeln.
Das Debüt in Deutschland erfolgte nicht auf eigene Faust. So ist die Castro Deutschland GmbH & Co. KG ein Gemeinschaftsunternehmen der Otto-Versandhaus-tochter Heinrich Heine GmbH und der Castro Model Ltd. 51 Prozent besitzen die Hamburger, 49 Prozent die Israelis. Beide Partner bringen dabei ihre Kompetenzen voll zum Einsatz. Die israelische Mutterfirma liefert das Ladenkonzept und die Mode, die Deutschen sorgen dank ihrer Kenntnis des hiesigen Marktes sowie ihrer Vertriebs- und Logistikstrukturen dafür, daß trotz mächtiger Konkurrenz und stagnierender Branchenumsätze Castro auch hierzulande eine Erfolgsgeschichte werden kann. Geht alles nach Plan, ist Deutschland sogar als Ausgangsbasis für ein weiteres Wachstum Richtung Benelux, Skandinavien und Österreich im Gespräch.
Diese Joint-Venture-Politik hat Castro-Chef Gabriel Rotter ganz bewußt gewählt. Schließlich ist es nicht das erste Mal, daß der israelische Textileinzelhändler den europäischen Markt ins Visier nimmt. Schon einmal wollte man expandieren und erlebte dabei eine Bauchlandung. Das war in den achtziger Jahren. Israels dreistellige Hyperinflation ließ die Firmengewinne wie Butter in der Sonne schmelzen. Knapp fünfzig Jahre nach der Gründung stand das Familienunternehmen vor dem Bankrott.
1933 war Aaron Castro als Kind mit seiner Familie vom griechischen Saloniki ins britische Mandatsgebiet Palästina ausgewandert. Aus einer Boutique, die er als junger Mann zusammen mit seiner Mutter nahe der Allenby-Straße in Tel Aviv betrieb, baute er ein beachtliches Modeimperium auf. Nach einer Umstrukturierung schaffte Castro den Turn-around und ging 1992 sogar an die Börse. Ein Meilenstein in Firmengeschichte war das Jahr 1996, als man das israelische Olympiateam ausstatten durfte. Das Erfolgsrezept der Castro-Offensive lautet seither: Nähe zu jungen und kreativen Designern; ständig neue Produkte nach dem Motto »A new collection every day«, sowie der Ausbau der Geschäfte zu wahren Erlebniswelten. Das Konzept kommt an. In dem hippen Castro-Flagship-Store im Dizengoff Center in Tel Aviv herrscht rund um die Uhr Hochbetrieb. Auf mehreren Etagen gibt es nicht nur Mode, sondern auch Kosmetik, eine Lounge-Bar und gelegentlich sogar Live-Musik. Damit will man sich von der Konkurrenz absetzen. Ferner läßt Castro mittlerweile nur noch einen Bruchteil der verkauften Produkte in Israel herstellen.

Allenfalls zwanzig Prozent der Waren, die bei Castro über die Ladentheke wandern, sind noch »Made in Israel«, der Großteil der Ware stammt aus Indien, China oder der Türkei, wo Modeartikel viel preisgünstiger und flexibler produziert werden können. Die Gesetze der Globalisierung gelten eben auch für Castro.
Natürlich ist Castro noch ein David unter vielen Goliaths. Der Umsatz betrug im Jahr 2005 gerade einmal knapp 75 Millionen Euro, ein Plus von dreizehn Prozent gegenüber dem Vorjahr – wobei die Joint Ventures im Ausland nicht mitgerechnet werden. Zum Vergleich: Platzhirsch H&M setzte allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2006 fast fünf Milliarden Euro in seinen 1.264 Läden um. Doch Branchenkenner sind sich einig: Das israelische Unternehmen hat gute Chancen, sich in Europa als feste Größe zu etablieren. Die Revolution kann vielleicht doch siegen – wenn auch nicht im Sinne eines kubanischen Altdiktators.

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