Zentralwohlfahrtsstelle

Mit Sprache für alle

von Christine Schmitt

Mit Witzen hat sie gute Erfahrungen gemacht. »Sie sind leicht verständlich und deshalb bestens geeignet, damit die deutsche Sprache zu lernen«, sagt Ninel Perlov. Außerdem seien sie dem Alltag sehr nah und lassen gute Stimmung aufkommen.
Ninel Perlov braucht für ihre Deutschschüler besonderes Material, denn sie unterrichtet junge geistig behinderte Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. »Keine Arbeit hat mir so viel Spaß gemacht wie diese«, sagt die 68-Jährige. Von Anfang an habe die Chemie zwischen ihr und den sieben Teilnehmern gestimmt. »Wir sind zwar konzentriert beim Lernen, aber auch entspannt und lachen ganz viel.« Seit drei Jahren unterrichtet sie bereits die Zuwanderer im Jüdischen Gemeindehaus in Frankfurt am Main. Nun planen die Mitarbeiter der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) eine Fortbildung mit Ninel Perlov, damit sie ihre Lehrmethoden an andere Sprachlehrer in den jüdischen Gemeinden weitergibt. Außerdem ist angedacht, ihr Konzept als Buch herauszubringen.
Perlovs Schwerpunkt ist die Alltagssprache. »Meine Schüler sollen sich eines Tages ohne Eltern verständigen können und allein einkaufen und zum Arzt gehen«, sagt die Lehrerin. Deshalb hat sie sich Gedanken gemacht und ein eigenes Konzept entwickelt. Denn wie vermittelt man Menschen, denen das Lernen schwerfällt, erfolgreich eine neue Sprache?
»Bilder, Bilder, Bilder«, sagt die Lehrerin. Zu Themen wie Verkehr und Straße bringt sie Poster mit, auf denen Flugzeuge, Autos und Schiffe abgebildet sind. Daneben stehen die Wörter in Russisch und Deutsch.
Zu fast jedem Thema gehört auch ein Witz. Beispiel gefällig? »Ein Bekannter bewundert Peters Auto. ›Du hast ja einen tollen Wagen – wie viel Benzin geht denn in den Tank?‹ – ›Keine Ahnung, zum Volltanken hat mein Geld nie gereicht.‹« Zum Witz werden anschließend die neuen Vokabeln gelernt und inhaltliche Fragen gestellt. »60 Minuten reichen, dann sind meine Schüler erschöpft«, sagt Perlov. Aber die arbeite man ohne Pause durch.
Vor drei Jahren fing Perlov an, ihre sieben Schüler im Alter von 17 bis 40 in einer Gruppe zu unterrichten. Doch dann stellte sie fest, dass die Schüler in noch kleineren Gruppen besser lernen. Denn jeder habe sein eigenes Tempo, und auf jeden müsse sie sich individuell einstellen. Die Eltern begleiten ihre »Kinder« und lernen dabei gleich mit.
»Diese Sprachkurse sind sehr wichtig. Wir brauchen ein qualifiziertes Angebot«, sagt Michael Bader, Leiter des ZWST-Projekts »Integration von behinderten Menschen in die Gemeinden«. Viele Familienangehörige aus anderen Städten hätten ihn darauf angesprochen, dass sie sich Sprachkurse für geistig behinderte Menschen wünschen.
Die meisten Betroffenen leben bei ihren Eltern, die oft selbst kaum Deutsch können und zu Hause überwiegend Russisch sprechen. So könne keiner die neue Sprache lernen. Tempo und Pensum der meisten angebotenen Kurse sind für langsamer lernende Menschen jedoch nicht zu schaffen. Aber auch die jungen Behinderten bräuchten eine langfristige Perspektive, und Integration finde eben nur über eine Sprache statt, so Bader. »Das Sprachproblem taucht auch in den Werkstätten und in der Schule wieder auf. Denn wer kein Deutsch kann, hat es schwer.«
So solle auch in dem in Frankfurt geplanten Wohnprojekt für behinderte Menschen Deutsch gesprochen werden, sagt Bader. Er habe immer wieder beobachtet, dass die Familien mit betroffenen Angehörigen sehr daran interessiert seien, dass diese die Sprache lernen. Denn sie wissen, dass sie in Deutschland bleiben werden.
Ninel Perlov ist vor drei Jahren zusammen mit ihrem Mann Arkadij nach Frankfurt gezogen, um näher bei ihrer Tochter zu leben. Da sie sich ehrenamtlich engagieren wollte, ging sie zur Sozialabteilung der Gemeinde und bot ihre Hilfe an. Damals hatte die Frankfurter Selbsthilfegruppe gerade festgestellt, dass sie Sprachkurse für ihre geistig behinderten Mit- glieder einrichten sollte. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe wandten sich daraufhin an die Sozialabteilung, deren Leiterin sich an Ninel Perlov erinnerte und vermittelte.
Perlov war vor ihrer Auswanderung Dozentin des Lehrstuhls »Deutsch für naturwissenschaftliche Fakultäten« an der Moskauer Universität. Seit 1981 lebt sie in Deutschland, erst in Bremen, dann in Bielefeld, wo sie ihrem Mann, der Zahnarzt war, half. Außerdem war sie mehrere Jahre lang Vorsitzende des Jüdischen Frauenvereins Bielefeld und gab auch dort Deutschunterricht. Ebenso unterrichtet sie im Jüdischen Kulturzentrum Bielefeld, das sie selbst mitgegründet hatte.
Nun leben die Perlovs in Frankfurt. »Ich bin Großstädterin, ich fühle mich hier wohl«, sagt Ninel Perlov. Vor allem das Kulturangebot – Konzerte, Lesungen, Ausstellungen – mache sie glücklich. Sie liest gerne Dichter wie Goethe und Schiller und schreibt auch selbst Gedichte oder übersetzt russische Autoren ins Deutsche. Wenn sie dabei einen neuen Witz entdeckt, den sie sich für ihren Unterricht gleich notieren kann, freut sie sich.

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025

Magdeburg

Batiashvili und Levit mit Kaiser-Otto-Preis ausgezeichnet

Der Kaiser-Otto-Preis ist die höchste Auszeichnung der Stadt Magdeburg. Er wurde im Jahr 2005 anlässlich des 1.200-jährigen Stadtjubiläums zum ersten Mal verliehen. In diesem Jahr ging er an zwei Künstler, die sich gesellschaftlich engagieren

von Oliver Gierens  03.07.2025

Israel

Gideon Saar: Mehrheit der Regierung will Gaza-Deal

Israels rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich möchten einen neuen Gaza-Deal verhindern. Laut Außenminister Saar sind die meisten Regierungsmitglieder aber anderer Ansicht

 02.07.2025

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025